Man sollte nicht von der Tatsache (vor)eingenommen sein, dass Rainer
Thielmanns Biografie nicht den Standards der „Hochliteratur“ entspricht
und der Anspruch ist auch mitnichten ein solcher. Der Bildband und die
Verse laden vielmehr dazu ein, den Autor auf seiner Reise zu begleiten
, öffnet Horizont um Horizont so zart, unaufdringlich und leise, dass
man sich plötzlich selbst als Reisender, als Erlebender wiederfindet.
Die gesamte Komposition kommt so unbeschwert authentisch daher, dass
sie verzaubert; umso mehr vor dem Hintergrund, dass diese Qualität so
manchem Werk, das allenorts groß besprochen und abgehandelt wird,
vollständig abgeht.
Wir haben hier kein hochdotiertes Werk der „Weltliteratur“ vor uns,
wohl aber eines, das uns (andere) Welten eröffnet und sogar spielerisch
zur Frage einlädt, was „Weltliteratur“ denn nun eigentlich ist. Diesem
Begriff somit gewissermaßen die Welten-Literatur entgegenstellt und
dabei auch gelegentliche Exkursionen in exponierte Eigenheiten der
deutschen Sprache nicht scheut:
Old Delhi
Menschenhupentempeldreck
Rikschacurrybusversteck
Bettlerbrachenlumpenkot
Lebensingweratemnot
Hundeschwülegötterkuh
AugensklettestimmenYOU!
Händlerpferchehimmelnah
Hindustäbchendufterbar
Sitarmessingrupienschrott
Überunternebenjob
Gassenteafortwoagent
Schocktouristenexkrement
Farbenquietschenkrüppelqual
Monsunmantragüllkanal
Stimmenräderchickenhalt
Delphi dampft – urmittelalt
Hören Sie es? Ein Meisterstreich ist Thielmann somit dennoch gelungen.
Denn ein Buch, das sowohl den literarisch Kundigen und Belesenen, als
auch den „gelegentlichen Leser“ und sogar Menschen, denen Lesen wenig
bis gar nicht nahe liegt, in den Bann zu ziehen vermag, muss man
erstmal publizieren. Es erreicht und berührt unmittelbar, ist
erfrischend, bereitet Freude und ist der wärmsten Empfehlung wert.
Rainer Thielmann: Indien von innen
Reiselyrik Verlag, ISBN 978-3-9812583-0-1
www.indienvoninnen.de