kalkutta buchDurga, Dichter und vermisste Dämonen

Nach „Indien von Innen“ (cultureglobe berichtete) legt Rainer Thielmann mit „Kalkutta“ seinen zweiten Lyrik-Foto-Band zum Subkontinent vor und dieses Mal widmet er seine Aufmerksamkeit der südlichen Metropole Kalkutta, die auch als das „Armenhaus Indiens“ bezeichnet wird.

Herrschten in „Indien von innen“ noch die meditativen Töne vor, so überrascht der Einblick in die heute wieder Kolkata genannte Stadt mit einem buntem Gemisch aus visuellen Impressionen und einer Lyrik, die in so manchem Vers um den Blick des Dichters ringt. Es ist Kalkutta selbst in all seinen widersprüchlichen Impressionen, in der bunten Dichte erschlagender Eindrücke, das sich im Buch zeigen möchte. Zum Teil ist das gelungen. Auf eine klare Linie bei der Auswahl der Fotos wurde verzichtet und so ist auch die Vielfalt der Bilder Ausdruck des pulsierenden Lebens der Stadt. Eine gelungene Komposition voller Lebensfreude.

Auch kombiniert Thielmann in „Kalkutta; Durga, Dichter und Dämonen“ die bewährte Methodik von Bild und Lyrik mit konkreten Informationen zur Stadt, ihrer Kultur und Geschichte, die dem Leser willkommene Hintergründe vermitteln. Doch ein wenig vermisst man den im Untertitel angekündigten Rundumblick; das Dämonische hat weder Gastauftritt noch spielt es gar eine Rolle, sondern wird durch die gewählte Stilistik zu einer schemenhaften Randfigur. So ist der Dichter dort auch weder unbeteiligter Beobachter noch wirklich im Bildgefüge daheim, sondern in einer informellen Zwischenwelt, die ebenso schemenhaft ist, wie die Darstellung des Dämonischen, der es an Unmittelbarkeit fehlt.

Dieser blinde Fleck ist bedauerlich und mag Ausdruck jener typischen Gelassenheit sein, die Indien-Reisende seit je her entwickeln mussten, um von der überschäumenden Wucht der Andersartigkeit in all ihrer in Indien gelebten Intensität nicht erschlagen zu werden. Man wünscht sich allerdings, der Autor hätte sich erschlagen lassen und davon berichtet – oder hätte das eine, zu kurz gekommene, Szenario ohne Worte und in ebensolcher Bilderflut für sich sprechen lassen, so dass es den Leser erschlagen kann, ungefiltert. Die Dämonen hätten ein Kapitel im Buch verdient.

Hervorragend gelungen ist die Beschau einer Metropole in ihren leuchtenden, bunten Farben und lebendigen Facetten, die den lichten Aspekt Kolkatas betonen und vielleicht war es auch die Intention des Autors, eine andere Seite der Stadt zu zeigen als jene, welche Kalkutta den Titel „Armenhaus Indiens“ einbrachte. Vor allem für jene, die sich lieber mit diesem Aspekt auseinandersetzen möchten, ist das Buch eine wahre Fundgrube an Impressionen, Farben und Bildern, bereichert durch ein ganzes Kapitel, das sich den Sundarbans („schöner Wald“) widmet, die rund 70 km südlich von Kalkutta liegen. Ganz besonders hervorzuheben sind auch die Portraits von Menschen, denen Thielmann viel Raum in seiner Fotoauswahl widmet. In ihrer ungebrochenen Gänze versöhnen sie ein wenig mit dem fehlenden Klarblick auf die Dämonen.

Rainer Thielmann: „Kalkutta“

Reiselyrik Verlag

ISBN: 978-3-9812583-2-5

104 Seiten • 230 Farbfotos •
60 Gedichte • 7 Infotexte •
1 Song (als Link)

www.indienvoninnen.de