„Natürlich, die Grande Nation muss niemand betrauern. Doch nicht sie wurde vom IS angegriffen. Nicht die Kriegsherren, nicht die Soldaten, nicht die Politiker und vor allen Dingen nicht der Staat. Nicht die dekadente Elite, nicht das Rotlichtmilieu. Sondern wir. Wir Linken.“, schreibt Elsa Köster in ihrem guten Artikel über die „linken“ Reaktionen auf die Morde von Paris im ND. Dieser Absatz zeigt auch ihre innere Zerrissenheit, die ebenfalls die innere Zerrissenheit vieler anderer ist.
Es gibt, nicht nur in linken Kreisen, sondern bei allen politischen Richtungen einen grundsätzlichen Fehler, was den Islamischen Staat angeht. Er ist eben nicht (nur) eine Terrororganisation, sondern ein staatsähnliches Gebilde mit einer Armee. Gerade versucht man offenbar eine eigene Währung aufzubauen. Es gibt ein Sozialwesen, Finanzämter, eine Verwaltung mithin. Hier greift nicht Al Kaida an, die über ein paar hundert oder tausend verstreute Kämpfer verfügt und klandestin agiert. Nein, hier agieren quasi geheimdienstliche Terrorkräfte eines fremden Staates. Das war so in der Türkei, das ist so in Frankreich.
In Syrien und dem Irak agiert eine aggressive, fanatische Armee, die meiner Meinung nach mit dem Koran nichts zu tun hat. Sie ist auf einen Führer, den Kalifen, eingeschworen, sie ist blindgläubig für jede Gräueltat zu haben, sie agiert unter den Prämissen des Vernichtungskrieges. Eine Armee dieser Art findet sich in der Geschichte in der Waffen-SS, nicht in den Taliban oder den Kriegern der Mudjahedin.
Die Versklavung von Menschen, Frauen, Kindern und Männern, als erlaubte, ja vorgeschriebene Tat, die Anwendung von sexueller Gewalt nicht nur als Terrorakt gegenüber den Besiegten, sondern als rechtlich anerkannte Form des Eigentums an Menschen, findet sich in der Region und in den letzten 70 Jahren weltweit kein zweites Mal.
Dieser Staat IS ist ein expansionistischer Staat. Er konnte und kann sich erweitern und erfolgreich landgriffig sein, weil es ein Tohuwabohu an unterschiedlichen Interessen und einen dauerhaften, historischen Kampf zwischen Sunniten und Schiiten im Mittleren und Nahen Osten gibt. Der syrische Bürgerkrieg und die Politik der westlichen Staaten in die Region hinein, haben dieses Chaos verstärkt. Das war der Nährboden für ein Gebilde, das bis zu seinem Entstehen ganz undenkbar war: Der verbrecherische Staat, der wie ein Krebs in einer Region entsteht und Raum fasst, ohne aufgehalten zu werden.
Die Terrorakte von Frankreich, wie die in der Türkei und anderen Ländern sind Kriegserklärungen eins Territorialstaates an die Welt. Und in der Tat will der Führer jenes Staates die Herrschaft in der Region ebenso, wie die globale Ausdehnung seiner antimoslemischen Lesart des Korans. Das muss verhindert werden. Man befindet sich dabei in der historischen Aufgabe auch diesen faschistischen Staat zu erledigen, der seine Umgebung bedroht, seine Gefangenen ermordet, Kinder vergewaltigt und sich Sklaven hält. Da nützt der Wunsch nach Frieden nicht viel, wenn er nicht die Notwendigkeit einer Zerstörung des Islamischen Staates durch militärische Gewalt als essenzielle Voraussetzung einschließt.
Die Kurden in Syrien und dem Irak tragen im Moment die Hauptlast des Krieges gegen die faschistische Armee des IS. Sie kämpfen als Bodentruppen gegen die gut ausgerüsteten und mit schweren Waffen und modernem Gerät versehenen Soldaten des IS. Aus der Luft agieren russische, französische und amerikanische Geschwader. Man muss diese Aktionen koordinieren und eine gezielte Strategie entwickeln. Siegreich wird man letztlich nur sein, wenn man die demokratischen oppositionellen Kräfte in Syrien und die syrische Regierung an einen Tisch bekommt und zu dem den Sunniten im Irak politische und gesellschaftliche Teilhabe nicht nur verspricht, sondern auch gleichberechtigt ermöglicht. Assad ist dabei, das war er schon immer, Teil des Problems und nicht der Lösung.
(Nachgestellt: Anmerkungen zur Lage im Mittleren und Nahen Osten vom 14. November 2015):
Der Konflikt im Nahen und Mittleren Osten hat viel kompliziertere Gründe als
• die Interventions- und Kriegspolitik von USA, Nato und der Achse der Willigen,
• die Diktaturen Assads und vorher Gaddafis
• die Ölinteressen internationaler Konzerne in der Region
• die Bestrebungen der Türkei, zu einer regionalen Hegemonialmacht zu werden.
Diese Gründe sind ebenso eingewoben in das Beziehungsgeflecht, wie religiöse Feindschaften zwischen Sunniten und Schiiten, scheinislamischer Sekten wie dem IS und staatsorganisierenden Gruppierungen mit religiösen Überbau wie der Hamas.
Es sind darin die Kettfäden der Konkurrenz zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, die Ausgrenzung der Sunniten im Irak, das sogenannte Kurdenproblem und die Großmachtinteressen von Russland eingeschossen.
In dieses sich gegenseitig zugleich aufschaukelnde und sich gegenseitig blockierende Konglomerat von Interessen hat sich der IS als eigenständige Staatsstruktur geschoben. Sein erklärtes Ziel ist es alle Staaten der Region zu erobern, letztlich hängt der IS der Illusion der Weltherrschaft seiner Form eines angeblichen Islams unter dem Kalifat nach. Die bestehenden Feindschaften, unterschiedlichen Interessenlagen und Bündnisverpflichtungen haben dazu geführt, dass dem nicht wirksam entgegengetreten wurde. Ein großer Teil der Führungselite des IS besteht aus ehemaligen Kadern der Baath-Partei aus dem Irak und der irakischen Armee. Das ist der Ausgrenzungspolitik der vorigen irakischen Regierung unter al-Maliki zuzuordnen. Die Nichtberücksichtigung und die Verfolgung von Sunniten durch die Regierung al-Maliki hat wesentlich zum Entstehen des IS als Machtfaktor beigetragen.
Die Hauptlast des Kampfes gegen den Islamischen Staat liegt am Boden weiterhin bei den Kurden.