Dabei kamen sowohl VertreterInnen der Subkultur (z.B. Kathrin Passig,
Norbert Elb), diese vorrangig im zweiten Panel, als auch klinisch
tätige SexualwissenschaftlerInnen zu Wort, um einen Austausch jener
Ebenen zu fördern.Die Beiträge des ersten Panels reichen von einer
Einordnung des Sadomasochismus in die christlich-kirchlich geprägte
Entwicklungsgeschichte durch Holger Tiedemann, über ein Beitrag von
über den Marquis de Sade und die Folgen von Wolfgang Berner bis hin zu
einer Thematisierung von Neo-Sexualitäten durch Volkmar Sigusch. Der
Untersuchung von Tiedemann liegt ein neun Punkte umfassendes
Analyseraster zu Grunde, die er auf drei Phänomene der
Kirchengeschichte überträgt (auf als Heilige verehrte Märtyrer des
Christentums). Er zeigt dabei interessante Verbindungslinien auf, die
allerdings in erster Linie unter dem Begriff des „Masochismus" als dem
des „Sadomasochismus", der erst Jahre später als „Sadismus" und
„Masochismus"  in den wissenschaftlichen Diskurs einging, betrachtet
werden können.

Der Beitrag von Berner, der wie schon zig Leute vor ihm, versucht im
Leben des Marquis de Sade die Definition des „Sadomasochismus" [sic!] deckende Ereignisse sucht. Seine Quellenbasis ist dabei ausgerechnet
Andrea Dworkin, die bereits zu ihrer Zeit bekannte Fakten außer acht
gelassen hat und bewußt eine Kampfschrift gegen den Marquis – und nicht
eine Biographie – verfassen wollte. Gerade bezüglich der Skandale, die
besonders in der von Maurice Heine begonnen und von Gilbert Lely nach
dessen Tod fortgesetzte und publizierte Biographie „La vie du marquis
de Sade" haben sich eingehend mit jenen Ereignissen beschäftigt und die
damit zusammenhängenden, zeitgenössischen Berichte und medizinischen
Gutachten zu Rate gezogen – im Gegensatz zu Dworkin. Aufbauend auf
dieser Analyse versucht er seinen Blick auf den Übergang von sexuellen
Vorlieben zu klinischen zu behandelnden Störungen. Aufgrund der
gewählten Basis und dem nur sehr selektiven Rückgriff auf einzelne
Rezeptionslinien (Adorno / Horkheimer, Foucault etc.) ist sein Beitrag
eindeutig als mißlungen anzusehen. Der Höhepunkt ist dabei die 
folgende Aussage: „Weil ich kein Philosoph bin, glaube ich nicht, dass
es das Denken war, was de Sade dorthin brachte, wo er endete" (S. 45).
Von größerem Gehalt hingegen ist der Essay von Peter Gorsen über die
sadomasochistischen Perspektiven im Werk von Pierre Klossowski, der
sich sehr eingehend mit de Sade beschäftigt und einen breit
rezipierten, psychoanalytisch-orientierten Zugang zu dessen Werk
präsentiert hat.Der zweite Teil des Buches widmet sich den Lebenswelten
– u.a. kommen Kathrin Passing, Norbert Elb und Volker Woltersdorff zu
Wort.

Es handelt sich bei den AutorInnen um sich bekennende
SadomasochistInnen, die in ihrer jeweiligen Subkultur und deren
Struktur aktiv waren oder noch sind. Kathrin Passig recycelte lediglich
Zahlenmaterial, das sie noch von ihrem Buchprojekt „Die Wahl der Qual"
hatte („Sadomasochismus in Zahlen: Ein Überblick über die empirische
Forschungslage") und berichtet knapp über die in Vereinsstrukturen
organisierte Szene; Andreas Hille stellt seine Forschung über schwule
Sadomasochisten vor, die er in dem Portal Gayromeo geführt hat („Sind
Sadomasochisten anders?") und Volker Woltersdorff präsentiert seine
Ergebnisse über schwule, lesbische und trans-queere SM-Sozialität. Der
Beitrag von Woltersdorff sticht unter dem Aspekt, daß er die
unterschiedlichen SM-Subkulturen (schwul, lesbisch, trans-queer) mit
der heterosexuellen abgleicht. Er befördert dabei u.a. ein paar
interessante Ergebnisse über die Gewichtung des Outingprozesses und
Geselligkeitsnormen zu Tage. Die anderen Beiträge bewegen sich im
Rahmen des bereits beaknnten Spektrums. Der dritte Teil präsentiert
Beiträge aus dem klinischen Blickwinkel. Es geht dabei u.a. um die
Bindungsfähigkeit von SmlerInnen, die Grenzscheide zwischen „gesundem"
und „krankhaften SM" sowie dem Verhältnis von Sadomasochismus und
Feminismus. Letzt genannter Beitrag, der auf einer bereits
publizierten, umfangreicheren Arbeit der Autorin beruht, hat gehört zu
den wenigen innovativen Beiträgen in diesem Band – auch wenn die von
ihr vertretenen Positionen fragwürdig sind.

Der letzte Teil des Tagungsbandes befaßt sich mit
sadomasochistischen Phänomenen, worunter die Autorin Ulrike Brandenburg
genitale Schönheitschirugie [sic!] thematisiert, und die beiden
weiteren Beiträge sich dem Thema der Transsexualität widmen – was
ebenfalls als problematisch zu sehen ist. Abschließend unternehmen die
drei Herausgeber den Versuch, die Tagungsbeiträge und die darum
entfachten Beiträge noch einmal zusammenzufassen und ausblickend zu
beleuchten.
Insgesamt muß man leider feststellen, daß es sich bei den Beiträgen
„lediglich" um eine Darstellung des aktuellen Forschungsstandes
handelt. In den Beiträgen wird vieles präsentiert, was bereits seit
langem bekannt und im Mainstream der Forschung anerkannt ist.

Es sind nur wenig innovative Beiträge zu finden, die über die
eingetretenen Wege hinausschreiten und neue Zugänge zum Verständnis des
Phänomens Sadomasochismus bieten. Dennoch bietet dieses Buch trotz
aller Mängel (und einigen längst überholten Positionen) einen guten,
ersten Überblick über die gängigen Ansätze und Forschungsbereiche zu
diesem Themenkomplex. Es gehört darüber hinaus zu den wenigen überhaupt
in deutscher Sprache erschienenen ernst zunehmenden Studien über
Sadomasochismus. Dennoch hätte man von den in der DGSS organisierten
WissenschaftlerInnen ein höheres Niveau und mehr Innovation erwartet.

Andreas Hill / Peer Briken / Wolfgang Berner (Hrsg.): Lust-voller
Schmerz. Sadomasochistische Perspektiven,  Psychosozial-Verlag Gießen
2008, 278 S., Preis: 29,90 €, ISBN: 978-3-8906-843-7.