Georges Bataille – Der Fluch der Ökonomie

Der französische Soziologe und Autor Georges Bataille (1897-1962) fristet in der deutschen Rezeption immer noch ein Schattendasein, während seine Wirkung für die moderne französische Geistesgeschichte kaum zu unterschätzen ist. Er betätigte sich als Historiker, Soziologe, Philosoph und Autor neben seinem Brotjob als Bibliothekar. Seine Auseinandersetzung mit dem Surrealismus und dem Denken der Frankfurter Schule waren in Frankreich ebenso wichtig wie sein Einfluss auf Michel Foucault, dem dann auch die Herausgabe seiner gesammelten Werke oblag.

Seit mehreren Jahren publiziert der in Berlin ansässige Matthes & Seitz-Verlag Texte aus dem umfangreichen Textcorpus von Bataille – sowohl den wissenschaftlichen als auch den literarischen. Gerade neu erschienen ist eine von Michel Surya und Tim Trzaskalik zusammengestellte Sammlung von sieben Texten zur Theorie der Ökonomie, die zwischen 1928 und 1956 bzw. posthum veröffentlicht wurden. Die Texte spiegeln Batailles besonderen Blick auf die Ökonomie wider, die im Widerstreit mit den klassischen Theorien der politischen Ökonomie stehen. Batailles Sicht der Ökonomie war inspiriert durch seine intensive Freud-Lektüre, von dem er sowohl die Vorstellung von Spannungsreduktion als auch den Lebens- und Todestrieb als Erklärungsansätze für die Funktionsweise von Ökonomie entleiht, sowie von seiner Auseinandersetzung mit dem Durkheim-Schüler Marcel Mauss, dessen Werk über die Gabe (Essai sur le don, 1924) ihm eine Reihe von Inspirationen bot. Letzteren hat er freilich noch mutig in seinen Thesen überboten. Dies zeigt sich besonders in den Texten Der Begriff der Verausgabung und Die Ökonomie im Rahmen des Universums, worin sich Bataille u.a. mit dem Konzept des Potlatch (= rauschhafte Freigebigkeit) beschäftigt. So schreibt Bataille im letztgenannten Text prägnant: „Der Gesichtspunkt des Energieüberschusses – der die allgemeine Ökonomie charakterisiert und sie insbesondere von der klassischen politischen Ökonomie unterscheidet, gewinnt so seine Bedeutung in Hinblick auf die menschlichen Aktivitäten, nicht nur für die Wissenschaft, sondern für die allgemeine Evolutionstheorie.“ (83). Es ist erfrischend, einen anderen und ungewohnten Blick auf die Ökonomie zu erhalten, der einem/r erlaubt die eigene Sichtweise auf die Ökonomie zu überdenken. Die hier vorgelegten Texte wurden erstmalig ins Deutsche übersetzt.

Eingerahmt ist der Band durch ein Nachwort von Michel Surya, einem französischen Philosophen und Autor. Er ist ein ausgewiesener Bataille-Kenner. Dieses Nachwort wurde exklusiv für die vorliegende Ausgabe verfasst.

Die Lektüre von Bataille ist stets eine verstörende und eine zugleich intellektuell anregende. Bataille ist ein singulärer Denker, mit dessen Denken sich eine Auseinandersetzung jederzeit lohnt.

Maurice Schuhmann

Georges Bataille: Der Fluch der Ökonomie, Matthes & Seitz Verlag Berlin 2019, 240 S.; Preis: 16 Euro; ISBN: 978-3-95757-807-5.