Nachfolgend dokumentieren wir die Pressemitteilung des bekannten Schriftstellers Leonhard F. Seidl zu den Vorfällen um die versuchte Abschiebung eines minderjährigen Afghanens in Nürnberg und den Polizeieinsatz gegen Schüler*innen und andere Personen.

Stellungnahme Rechtsausschuss Polizeieinsatz Abschiebung Berufsschulzentrum Nürnberg

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin Schriftsteller, u. a. Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, und war beteiligt an der Sitzblockade gegen die Abschiebung von Asef F. aus dem Berufsschulzentrum in Nürnberg.

Am Donnerstag, den 29. Juni erhielt ich eine Zeugenvorladung des bayerischen Landeskriminalamtes (LKA) – interne Ermittlungen Nord.  Aufgrund der »Presseberichtserstattung« wurde ein … »Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt« eingeleitet. Sie finden sie im Anhang. Datiert mit 26.06.17. Daraufhin kontaktierte ich meinen Anwalt, der mir riet, den Termin nicht ohne anwaltlichen Beistand wahrzunehmen. Die Polizei könnte eine Anzeige wegen »Widerstand gegen die Staatsgewalt« erheben. Bei einem zeitnahen Termin wollte ich alles Weitere mit ihm besprechen, weshalb ich noch keinen Termin mit dem LKA vereinbart hatte.

Die Verletzungen des Falken Vorstandsmitglieds Nico Schreiber und meine waren Thema im gestrigen Rechtsausschuss des bayerischen Landtags. Da wir uns aber nicht gemeldet hatten, sei der Sache nicht weiter nachgegangen worden. Der Brief des LKA ging also am Donnerstag bei mir ein und am Dienstag war bereits die Sitzung. Warum wurde die Einladung erst einen knappen Monat nach dem Ereignis erstellt? Die „Presseberichterstattung“ auf die sich das LKA bezieht ist vom 02.06.2017. Den Artikel finden Sie hier.

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Die Schuld für die Deeskalation wird einzig und alleine sogenannten «Autonomen« zugespielt, es wird von einer deeskalierenden Polizei gesprochen. Die Polizei war zu keinem Augenblick deeskalierend, forderte nach meiner Erinnerung weder auf, die Straße zu räumen, noch versuchte sie mit den Blockierenden ins Gespräch zu kommen. Stattdessen quälte sie friedlich in der Sitzblockade hockende Menschen, prügelte auf Schüler und Unterstützende ein, was Videos, Fotos und Augenzeuginnen und Augenzeugen bestätigen.

Friedlich habe ich die Schülerinnen Schüler bei der Sitzblockade unterstützt, wie Zeuginnen und Zeugen, bestätigen können, auf Videos und Fotos zu sehen ist. Ich habe hierbei Verletzungen durch die Polizei erlitten, was das ärztliche Attest im Anhang belegt. Zudem habe ich mehrere verletzte Schüler gesehen, die bluteten, Prellungen erlitten haben, aufgrund von Faustschlägen zu Boden gingen oder von Pfefferspray Augen- und Atemschleimhautreizungen davon trugen. Von keinen Verletzten Schülerinnen und Schülern kann also nicht die Rede sein. Diese Aussage soll einzig und allein dazu dienen, den brutalen Polizeieinsatz zu verharmlosen und damit folgenlos bleiben zu lassen.  Nicht grundlos fordern Initiativen seit Jahren die Untersuchung von rechtswidriger Polizeigewalt durch unabhängige Ermittlungsstellen.

Polizei, Politiker und Politikerinnen sollten sich überlegen, warum sich keiner der verletzten Schülerinnen und Schüler nach diesem martialischen Polizeieinsatz als verletzt gemeldet hat. Stattdessen legitimiert  Peter Paul Gantzer, MdL SPD die Polizeigewalt, in dem er die Schuld an der Eskalation »Autonomen« zuweist. Damit ermöglicht er der Polizei ein Agieren im rechtsfreien Raum. Welches Bild werden diese Schülerinnen und Schüler von dieser Demokratie haben? Haben sie doch selbst beobachtet, dass die Gewalt und Eskalation von der Polizei ausging und einige von ihnen verletzt wurden, als sie sich friedlich vor ihren Mitschüler stellten.

Leonhard F. Seidl