„Ökologie der Angst“ klingt auf den ersten Blick für einen Essay unpassend bzw. reißerisch. Genau dies ist Jens Soentgens Text nicht. Fundiert und nüchtern nähert er sich dem Phänomenen ausgehend von einer Auseinandersetzung mit dem Konzept von Ökologie und Natur. Er unterscheidet in diesem Rahmen u.a. den ökologischen und den physikalischen Naturbegriff (S. 9), was schon auf seine naturwissenschaftliche Prägung verweist. Er ist von Haus aus studierter Chemiker mit philosophischer Ausrichtung. Eine spannende Erkenntnis, die er schon im ersten Kapitel entwickelt, lautet – die Natur- und Geisteswissenschaften vereinend: „Ökologisches Denken ist aufklärendes Denken, weil die Ökologie tradierte Vorurteile revidiert, etwa jenes, das davon ausgeht, dass die gesamte Schöpfung dem Menschen zugeordnet ist, dem sie dienen soll, wie es die theologische Dogmatik der monotheistischen Religionen lehrt. (…) Die Ökologie denkt polyzentrisch, indem sie die Natur nicht von Gott her bzw. vom Menschen und seinen Wünschen und Bedürfnissen her interpretiert, sondern von den nichtmenschlichen Organismen ausgeht und ihr Miteinander untersucht.“ (S. 15f.). Dabei bezieht er explizit die innere bzw. subjektive Seite der Beziehung mit ein. Ein Aspekt dessen ist das Gefühl der Angst, konkret die Angst des Tieres vor dem Menschen. Das Thema wird in einem eigenen Kapitel näher dargelegt. Der „Angst als Innenseite des Anthropozäns“ widmet er sich im zweiten Kapitel. Seine Grundlegung ist das viele, wenn nicht gar alle Tiere das Gefühl der Angst kennen. Dieser Aspekt ist für die Entfremdung des Menschen von der Natur massgeblich, da das Tier Angst vor dem Menschen hat und eine Begegnung in der freien Wildbahn selten wird. Das dritte und vierte Kapitel widmen sich der Frage, wie wir wissen können, ob Tiere ein uns ähnliches Innenleben besitzen. Ein weiteres Kapitel wendet sich dem Thema „Phänomenologie der Angst“ zu, um schließlich zur „Ökologie der Angst“ zu kommen. Ebenfalls eigene Abschnitte haben die Themen „Die Unerschrockenen“, „Die Angst der Menschen vor den Tieren“ und „Versöhnung“.

Sehr spannend ist das Vorgehen von Soentgen, der sich einer biologischen Fragestellung von Seiten der klassischen Philosophie und unter Rückgriff auf die Tierpsychologie her nähert. Sein Essay

regt auch zum Nachdenken über Ökologie, d.h. konkret das Beziehungsverhältnis zwischen Mensch und Tier an – selbst wenn man selber nicht unbedingt vegan lebt. Literaturtipp!

Maurice Schuhmann

Jens Soentgen: Ökologie der Angst, Matthes & Seitz Verlag Berlin 2018, ISBN: 978-3-95757-522-4, 158 S., Preis: 14 €.