Bücherbox

Gelb: Schriftsteller schreiben den Lesern.

Kürzlich rannte mich eine junge Dame auf offener Strasse in Paris um. Das hatte in diesem Falle weniger mit meiner Anziehungskraft zu tun als viel mehr mit dem Umstand, dass sie beim Gehen in ein Buch vertieft war. Eine solche Situation ist in Paris kein Einzelfall. Die Pariser haben das Lesen im Gehen (und im Stehen) kultiviert. Sei es eine Zeitschrift, ein Taschenbuch oder ein IPAD – alles wird im Gehen und Stehen gelesen. Das durchzieht alle gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen. Nur Neuankömmlinge und Touristen verwundern sich noch darüber – für Pariser ist dies ein alltägliches Phänomenen.

Dieses Leseverhalten setzt sich auch in den notorisch überfüllten Metros fort. Auf engsten Raum und einem nicht zu unterschätzenden Lärmpegel schafft es der Paris-Sozialisierte, seine Zeitschrift auszubreiten oder ein Buch aufzuschlagen und sich darin zu vertiefen. Manch einer greift dabei auch zu Ohrstöpseln, um sich nicht von der Geräuschkulisse ablenken zu lassen.

Es besteht auch in einer Reihe von Pariser Cafés die Möglichkeit, sich zum Kaffee ein Buch aus der Café-eigenen Bibliothek zu entleihen. Meist handelt sich dabei um moderne Belletristik oder auch die Klassiker der französischen Literatur, seltener um Sachbücher.

Dieser hohe Lesekonsum spiegelt sich auch in der Vielzahl von kleinen Buchhandlungen oder auch fliegenden Händlern im Stadtzentrum wieder, obwohl auch die kleinen Buchhandlungen wie in Deutschland allmählich im Prozess des Schwindens begriffen sind. Ihr Überleben sichern jene Buchhandlungen durch ihre Öffnungszeiten, die es dem Bücherwurm noch erlauben nach 22h am Boulevard Saint-Germain in einer gut sortierten, unabhängigen Buchhandlung seinen Bedarf zu stillen oder in einer Fachbuchhandlung am Sonntag Nachmittag zu stöbern. Das thematisch sortierte Buchhandlungsverzeichnis von David Alliot, ein Nachschlagewerk für Freunde des gepflegten Buchkaufs, führt 440 Fachbuchhandlungen nach über 130 Kategorien in Paris und seinen nahegelegenen Banlieus auf – von A für Aeronautique bis W wie Wallonie.

Die Begeisterung für Literatur spiegelt sich aber auch in der Vielzahl von kleineren Buchmessen in der Seine-Metropole wieder, die fast jede Woche irgendwo stattfinden. In fast wöchentlichen Abstand kann der Pariser sich auf spezifischen Messen, über Neuerscheinungen aus dem Bereich Jura, Geisteswissenschaften oder kulinarischen Kochbüchern informieren, wenn er nicht geraden zu einer der lokalen, auf einen bestimmten Bezirk oder Vorort fokussierte Buchmesse oder bei der Messe zum Tag des politischen Buches zu finden ist….

Der Pariser lebt halt nicht vom Baguette allein -. Er braucht auch seine Lektüre….

Literatur:
David Alliot:

, Paris: Horny 2005.