BDSM und Psychotherapie
BDSM- und Fetischsexualität werden nach wie vor als „Krankheit“ im ICD gelistet. Vor diesem Hintergrund ist es gut, wenn es Texte wie den vorliegenden gibt, die einen aufgeklärteren und dabei gleichzeitig professionellen Blick auf BDSM-Sexualitäten bieten. Eine wichtige Basis bieten hierbei die Interviews mit Expert_innen – z.B. dem Schlagzeilen-Redakteur Matthias Grimme oder Schwelle 7-Protagonist Felix Ruckert. Das Büchlein ist Teil eines queeren Buchprojekts (https://queeres-buchprojekt.de) und steht in einer Reihe mit dem ebenfalls bei Edition Assemblage erschienenen Titel „Geschlechter und Sexualitäten in Psychotherapie und Beratung“.
Die Autorin selber ist keine praktizierende BDSMler_in, aber sie hat sich sehr gut in die Materie eingearbeitet und betrachtet aus einer professionellen Distanz, aber mit einer deutlich positiven Einstellung den Themenkomplex. Über den Anspruch des Projektes erklärt sie: „Ziel des Textes ist es, Haltungen und Wissen für eine gute und kultursensitive Gesundheitsversorgung von BDSM-praktizierenden Personen zu vermitteln.“ (S. 8). Das bearbeitete Themenspektrum im Kontext von BDSM-Sexualitäten reicht von „Einblicken in die Kulturgeschichte von BDSM“, über „Gestaltung einer kinkbewussten psychotherapeutischen Gesundheitsversorgung“ bis „Kinkaffirmatives psychotherapeutisches und beratendes Arbeiten“. Damit werden die großen und wichtigen Bereiche des Themenkomplexes sicherlich abgedeckt. Die Abschnitte sind sehr fundiert und kompakt gehalten. Bezüglich der Definitionen und Einordnung von Begriffen und Konzepten wird von der Autorin wiederholt auf die gute alte Datenbank Datenschlag verwiesen, eine von der Szene erstellten Plattform, die leider seit über einem Jahrzehnt nicht aktualisiert wird….
Weiterhin werden auch immer wieder mögliche Anwendungsbeispiele in grau unterlegten Kästen präsentiert und konkrete Vorgehensmöglichkeiten für die psychoanalytische Praxis benannt, was einen sehr guten Brückenschlag von Theorie und Praxis markiert. Es ist sicherlich mehr als überfällig, dass eine solche Handreichung entsteht. Schon vor über 20 Jahren wurde in der deutschsprachigen Szene für ein solches Projekt gekämpft – in diversen Arbeitskreisen, die z.B. bei der Bundesvereinigung Sadomasochismus (BVSM e.V.) angesiedelt waren….
Auf Grund des relativ hohen Preises von 38 Euro (!) dürfte jene Handreichung vor allem für Menschen relevant sein, die sich mit diesem Thema beruflich auseinandersetzen und es hierfür benötigen. Inhaltlich weist das Bändchen eine sehr hohe Qualität auf. Für Leute aus der Szene selber dürfte Vieles bzw. das Meiste bekannt sein, wenn auch manches sicherlich diskussionswürdig. Zu den diskussionswürdigen Aspekten gehört z.B. der Aspekt der Traumataarbeit mit BDSM (S. 101-103). Auch die reichhaltige Bibliographie, die vor allem englischsprachige Titel auflistet, dürfte für viele Szeneangehörige von großem Interesse sein.
Maurice Schuhmann
Gisela Fux Wolf: BDSM und Psychotherapie. eine Handreichung auf dem Weg zum kinkrespektvollen Arbeiten, Edition Assemblage / Die Werkstatt Münster 2023, ISBN: 978-3-96042- 161-0, 142 S., Preis: 38 €.