Die politischen Vorkommnisse in Thüringen gefährden die Demokratie. Die Wahl des FDP-Politikers Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der, in den Augen vieler, nationalsozialistischen Abgeordneten der AfD, die möglicherweise vorrangegangenen Absprachen, Hinweise, Überlegungen, die in den Wind geschlagenen Warnungen vor genau diesem Szenario zeigen, dass es eine schlimme Skrupellosigkeit den ethischen Grundlagen dieses Staates gegenüber gibt. Und dieser Staat ist selbstverständlich in seiner grundgesetzlichen Anlage antifaschistisch.
Die Unfähigkeit auf die nun eingetretene Situation zu reagieren, die Vorschläge der CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer (die SPD oder die Grünen sollten nun ihren bisherigen Koalitionspartner DIE LINKE überfahren und eine eigene Kandidatur zum Ministerpräsidenten durchziehen), die Vorwürfe gegenüber der größten Landtagsfraktion der LINKEN, sie hätte durch die Kandidatur Bodo Ramelows erst die Situation geschaffen, zeigen, dass die Fähigkeit zu politischem Handeln abhanden gekommen ist. Stattdessen wird hilflos agiert, mit Schutzbehauptungen die eigene Schuld minimiert, Lösungen die halten durch kurzfristige Taktierereien ersetzt.
Die immer noch stattfindende, aber langsam, zu langsam allerdings, erodierende Gleichsetzung von LINKE und AfD, also die Gleichsetzung einer linken, sozialistischen, demokratischen, ja in großen Teilen sozialdemokratischen, Partei mit einer Organisation, die in großen Teilen schon nationalsozialistisch geprägt ist, in allen rechtsextrem, verschwörungstheoretisch, wissenschaftsfeindlich, ist ein Sargnagel für die Demokratie.
Demokraten müssen zusammenarbeiten können. Und so wäre es in dieser Situation richtig gewesen, CDU und SPD, Grüne, LINKE hätten einen Weg zu einer Zusammenarbeit gefunden. Ein Weg, der die Demokratie gestärkt hätte, wäre das gewesen. Nun gibt es mittelfristig diesen Weg nicht mehr, weil die Glaubwürdigkeit der thüringischen CDU so sehr beschädigt ist, dass niemand in sie den Glauben an eine vertrauensvolle Zusammenarbeit setzen kann. Verschuldet hat dieses Desaster der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU auf Bundesebene und das Insistieren der Bundesvorsitzenden ihn auch einzuhalten. Solange die CDU aus Gründen der innerparteilichen Räson rechtsextreme und links-demokratische Positionen gleichsetzt, wird sich eine Wiederholung kaum vermeiden lassen. Die Gemeinsamkeit der Demokraten, über die Parteigrenzen hinweg, wird von der CDU damit stets unterminiert.
Auch der Hinweis, das sei angemerkt, auf den Teil der Partei, der aus der ehemaligen SED als Nachfolge-Partei hervorgegangen ist, ist abstrus. Ersten sind auch die Ost-Union und die LDPD der DDR, beides Blockparteien, ohne viel Federlesens in die gesamtdeutschen Parteien CDU und FDP übernommen worden, zweitens besteht DIE LINKE eben nicht nur aus der ehemaligen PDS, sondern auch aus der völlig sozialdemokratischen WASG. Sie hatte sich im Westen als Antwort auf die soziale Kahlschlagspolitik der Schröder-SPD gegründet.

Insgesamt also ist die Demokratie deutlich durch das Agieren von CDU und FDP gefährdert. Und das in zweifacher Hinsicht. Zum einen durch die Aktion in Thüringen selbst, also durch die Wahl Kemmerichs durch die rechtsextremen Abgeordneten der AfD bei Mittun durch CDU und zweitens durch das hilflose, laienhafte, stümperhafte und dumme Agieren der Parteiführungen von CDU und FDP. Ich bin mir nicht sicher, was mehr gefährdet. Bei einem vernunftgesteuerten und von Sachkenntnis geleitetem Tun der Führungen beider Parteien hätte ja der Schaden durch die schändliche Tat minimiert werden können. Der Ansehensverlust durch die dilettantischen Aktivitäten danach scheint mir bei tieferer Überlegung dann das eigentlich Verheerende. So werden Menschen von der parlamentarischen Demokratie und den Parteien entfremdet. Das muss ein Ende haben.
Es gibt auch in der CDU und der FDP Menschen, die die notwendige Kombination von Stärke, Durchsetzungsvermögen und Sachverstand aufweisen. Den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) zum Beispiel oder die hamburgische Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels zum Beispiel.

 

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