Knapp 30 Jahre nach der Veröffentlichung von „Was ist das Eigentum? 1. Denkschrift“ hat der Wiener Verlag Monte Verita nun auch die zweite Denkschrift von Pierre-Joseph Proudhon zum Thema Eigentum publiziert. Der hier von Lutz Roemheld, einer Koryphäe der deutschsprachigen Proudhon-Forschung, übersetzte Text wurde von Proudhon 1841 als Reaktion auf die Diskussion um seine erste Denkschrift verfasst und richtete sich an Blanqui – den Ökonomen, nicht dessen bekannten Bruder Louis-Auguste Blanqui, der sich als Politiker und Revolutionär hervortat. Die Übersetzung folgt der französischen Werkausgabe aus dem Jahr 1938.

Seine Auseinandersetzung mit dem Thema Eigentum erfolgte im ersten Text stets interdisziplinär, d.h. er betrachtete sowohl die juristische Seite als auch historische, religiöse und nationalökonomische Aspekte. Ausgehend von einer klassischen Definition, die er aus dem römischen Recht exzerpierte, untersuchte er unterschiedliche Vorurteile gegenüber dem Eigentum sowie unterschiedliche Aspekte selbigens. Dies führte ihn zu seiner provokanten Schlussfolgerung, die sich bereits bei Jean-Jacques Rousseau antizipiert findet, dass das Eigentum Diebstahl sei. Eine Spezifizierung dessen unternimmt er im Rahmen jener zweiten Denkschrift.

Das Vorwort hat der Wirtschaftswissenschaftler Gerhard Senft beigesteuert, der sich auch in der Vergangenheit wiederholt als Herausgeber von Proudhon hervorgetan hat. Er ordnet Proudhons ökonomische Lehre, der er in Bezug auf die Frage nach dem, was das Eigentum ausmacht, in einen historischen und geistesgeschichtlichen Kontext ein. Dabei wird auch die heutige Debatte, die er beispielhaft an den Untersuchungen des deutschen Soziologen Ulrich Beck aufzeigt, miteinbezogen. Er hebt dabei hervor, dass der Diskurs über das Eigentum mit der Veröffentlichung von Proudhons erster Denkschrift eine neue Richtung ging. In Bezug auf die zweite, hier vorliegende Denkschrift schreibt er: „In der hier vorliegenden ‚Zweiten Denkschrift‘ über das Eigentum von 1841 gelingt es Proudhon, wesentliche seiner ein Jahr zuvor veröffentlichten Gedanken zu ergänzen und zu präzisieren. Er verweilt nicht bei einer Kritik am Privilegiensystem des Feudalismus, sondern macht geltend, daß moderne Volkswirtschaften ebenso nicht legitimierbare Vorrechte hervorbringen.“ (S. 24f.). Ergänzend gibt es ein Personen- und Sachregister im Anhang.

Im Gegensatz zur ersten Denkschrift mit seinem vielzitierten Credo „Eigentum ist Diebstahl!“ wurde die zweite Denkschrift weitaus weniger rezipiert. Eine Lektüre lohnt sich dennoch, wenn man gewillt ist, die ökonomische Theorie von Proudhon – trotz aller Marx‘scher Kritik daran – ernsthaft zu studieren. Letztendlich bildet diese auch ein Fundament für seine politische Philosophie, die strömungsübergreifend im Anarchismus ihren Widerhall gefunden hat.

Maurice Schuhmann

Pierre-Joseph Proudhon: Was ist das Eigentum? 2. Denkschrift, Monte Verita Verlag Wien 2020, 347 S., ISBN: 978-3-900434-87-8, Preis: 20 Euro.