Die erste Erzählung, „Stahl auf der Haut“, handelt von der Freundschaft
zwischen zwei Frauen, die irgendwo zwischen Philosophieakademie und
Domina-Studio changiert. Heraus kommt ein künstlich
intellektualisiertes Geplänkel, das in seiner Prätention kaum
auszuhalten ist. Sämtliche an den ergrauten Haaren herbeigezerrten
Adorno-Parallelen wirken eher peinlich bemüht als ehrlich
aufklärerisch. Hinzu kommen Stilblüten à la „Dieses Mädchen sortiert
das Besteck mit einer Stringenz, die der korrekteste Syllogismus nicht
aufweist“, die nicht nur von der Gesamtholzigkeit der Dialoge zeugen,
sondern auch den letzten Hauch Erotik noch vor dem Keim ersticken. Das
ist schon deshalb schade, weil die Erzählung Fragen aufwirft, die
durchaus spannend sind. Das Ende zum Beispiel überrascht durch die
Frage, was Macht ausmacht und wer in einer Beziehung, die zwischen
Unterwerfenden und Unterworfenen besteht, tatsächlich das Sagen hat.
Auch die Thematik Neid vs. Freundschaft spielt in „Stahl auf der Haut“
eine Rolle und hält den ganzen Plot gekonnt am Leben.

„Eine Reise für Marie“ ist da schon bedeutend schlichter gestrickt.
Hier geht es um ein junges Paar, Paul und Marie, die ihren monotonen
Alltag durch SM-Spielereien aufpeppen möchten und nicht so ganz wissen,
was und wie. Wieder einmal sind die Protagonisten fleißige angehende
Akademiker – Philosophie-Doktorandin Anouk S. scheint ihre Zielgruppe
gefunden zu haben. Dagegen spricht auch nichts, nur leider erinnern
Paul und Marie verblüffend an die beflissenen, in Regelstudienzeit
diplomierten Streberleichen, die einem in der Mensa immer irgendwie
unangenehm aufgefallen sind. Der Plot ist recht schnell erzählt: Paul
lädt Marie auf eine Reise ein, Ziel ist eine Art Zeltlager für
Perverse, und dort gibt es einen Bondage-Kurs nach dem anderen. Das
Ende jetzt auch noch zu verraten, wäre wohl nicht fair. Nur so viel:
Wahnsinnig überraschend ist es leider nicht. Bestenfalls kurzweilig.

„Der Gedanke“, soviel sei vorweggenommen, ist von den drei
Erzählungen mit Abstand die stärkste. Hier wird eine namenlose Sklavin
von ihrem neuen Herrn gekauft, getauft und in jeder Hinsicht besessen.
Letzteres stellt sich aber als problematisch heraus, denn was wie eine
recht genretypische Geschichte (die entpersonalisierte Sklavin, die
Villa, das aristokratische Ambiente) beginnt, gipfelt wie auch schon in
der ersten Erzählung in der Frage: Was ist eigentlich Herrschaft? Wie
weit darf und wie weit muss sie gehen? Und vor allem: Was passiert,
wenn andere Emotionen dazukommen und das doch sehr einseitige Konstrukt
aus Demut und Dominanz ins Wanken gerät?

Alles in allem kein Geniestreich, bietet „Der Gedanke“ aber zumindest
gute Unterhaltung. Schade, denn es drängt sich der Eindruck auf, Anouk
S. kann sehr viel mehr als das. Wäre die Sprache weniger bemüht und der
jeweilige Plot weniger vorhersehbar, mutiger und vielleicht auch
abstrakter konstruiert, könnte „Der Gedanke“ wirklich aus dem
Erotikliteratur-Einheitsbrei hervorstechen.

Anouk S.: Der Gedanke, Anais Verlag Berlin 2009, ISBN 978-3896025579, 352 Seiten, 9,90 Euro