Man gab Figaros Hochzeit; das Theaterstück von de Beaumarchais, nicht die Oper. Das hat nichts mit Moliere zu tun. Aber ich fange diese Kritik trotzdem mit Moliere an.
Meine Theaterbegeisterung wurde mit 11 oder 12 Jahren geweckt. Und zwar durch einen der beiden Fernsehsender, die es damals gab. Ob die ARD oder das ZDF die Verantwortung dafür tragen, dass ich nun schon seit so vielen Jahren lobe oder verreiße, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls gab es ein Fernsehspiel über Moliere. Heute würde man es vermutlich als dokumentarischen Spielfilm bezeichnen. Später sah ich zwei oder dreimal den Spielfilm von Ariane Mnouchkine. der auch gut war, aber natürlich nicht mehr bewirken konnte, was ja schon das Fernsehspiel bewirkt hatte. In meiner Erinnerung ist es schwarz-weiß. Aber das kann täuschen.
Was ich in dem Fernsehspiel an gespieltem Theater sah, wirkte auf mich wie Eruptionen, als wäre ich auf einer Insel aus festem Grund und um mich umher würden Vulkane als Feuerwerke gezündet. Danach gab es keine Rettung mehr. Ich war dem Theater verfallen. Allerdings, ich gebe es zu, auf eine zuweilen bissige Art.
Aber in Naumburg gibt es, wenn Jutta Schubert Regie führt und dieses grandiose, moliersche Quartett spielt, keinen Grund bissig zu werden. Da ist alles wie damals in diesem Film. Die spielen Theater, die führen gar nicht auf. Nein, da explodiert die Spielfreude. Ach, wenn man das doch auch über die „großen Häuser“ stets sagen könnte.
Andreas Becker hat die Bühne entworfen und er hat es geschafft, auf die kleine kurze Bühne in Naumburg ein Schloss und einen Park zu stellen. Tiefe Schränke dienen als Zimmer, sind drehbar, können also auch der notwendigen Verwirrung dienen und geben auch die notwendige Laube in der Gartenszene am Ende des Stücke her.
Katja Preuß, Betty Wirtz, Soheil Boroumand, Holger Vandrich spielen, dass es eine Pracht ist. Soheil Boroumand ist Figaro und Cherubin. Wunderbar, wie er den Rollenwechsel hinbekommt. Katja Preuss ist eine ganz, ganz hervorragende Susanne. Sie füllt die Rolle vollkommen aus, überfüllt sie aber nicht mit Klamauk, sondern weiß das Maß zu wahren, das es braucht um gut zu sein. Rosine, die Gräfin Almaviva gibt Betty Wirtz. Übrigens die erste „richtige Frauenrolle“, wie sie mir hinterher erzählte. Sie macht Rosine zu einer kühlen Adligen und das macht sie so gut, wie die anderen auch ihre Rollen gut auf die Bretter bringen. Da steht keiner hinter dem anderen zurück. Natürlich auch nicht der von mir – die andren Drei mögens mir verzeihen – besonders geschätzte Holger Vandrich. Er ist der Graf, ein Trottel, der sich für einen mit allen Wassern gewaschenen Diplomaten hält. Großartig auch er.
Das ist in der Tat ein Vulkanausbruch an Spielfreude, den man in Naumburg erleben kann. Möglich wird das aber natürlich nicht nur, weil dort begeisterte und begeisternde Schauspiele am Werk sind, sondern auch, weil Jutta Schubert es versteht Regie zu führen, dass es eine Freude ist. Da gibt es keine Stellfehler, keine sinnlose Kapriolen, keine Längen. Da passt alles. Schubert hat das Stück gekürzt und für die kleine Truppe angepasst. Sie hatte es schon geschafft den Hamlet, ohne Frage das viel, viel größere, gewichtigere Stück – den zentralen „Shakespeare“ – mit diesen vieren auf die Bretter zu bekommen und schon damals war ich über Spiel, Regie und Bühnenbild begeistert.
Den Inhalt des Stücke wiederzugeben spare ich mir. Es ist sattsam bekannt. Der Barbier von Sevilla und Figaros Hochzeit sind oft gespielte Opern. De Beaumarchais Theaterstück jedoch findet sehr selten den Weg auf die Bretter. Der Verdienst ist also doppelt.
Gehen Sie dahin. Naumburg zu besuchen lohnt sich eh‘ (der Dom, der Wein, die alte Stadt). Ins Theater zu gehen dann macht die Reise doppelt wertvoll. Nehmen Sie sich ein Wochenende, fahren sie hin. Trinken Sie den guten Wein und sehen Sie das gute Spiel im Theater Naumburg. Unbedingt.