Gleich zwei Bücher möchte ich Ihnen heute vorstellen. Und natürlich gibt es eine Verbindung: Die Sprache und ihre Funktion als Trägerin der Message sind bei beiden Schriftstellern lapidar und großartig, heruntergebrochen und auf höchstem Niveau.
Vorstellen möchte ich Ihnen die Bücher
• Das große Bilderbuch der Vulkanvaginas von Stefan Wimmer und
• Alle reden zu viel von Charles Bukowski.
Stefan Wimmer, der früher einmal König von Mexico war oder zumindest ein wunderbares, viel beachtetes Buch mit diesem Titel geschrieben hat, hat im ‚blond verlag‘, der mir ansonsten noch nicht untergekommen war, nun ‚das große Bilderbuch der Vulkanvaginas‘ untergebracht. Der blond verlag ist ein glücklicher Verlag, soviel ist sicher. Denn wer Autoren wie Stefan Wimmer und hat solche Bücher, hat keinen Grund zum Unglücklichsein. Es ist ein prima Buch, eines, dessen einziger, vermutlich verkaufsfördernder Schrecken im Titel steckt, das aber im Fleisch, also im Text herzhaft im Biss ist und ungeheuer schmackhaft.
Es geht irgendwie nicht um das, was man sich beim Titel vorstellt und irgendwie doch. Diese wage Beschreibung des durchaus mit Sexualitätssekret bestrichenen Stories tun das, was Texte von Wimmer immer tun: Sie tun gut. Es macht Spaß vom stetigen Scheitern und dauernden Versuchen, von der Unmöglichkeit verständlich zu kommunizieren und der Diskrepanz zwischen Wollen und Bekommen zu lesen. Wimmer schreibt, das hat er schon beim König von Mexiko getan, eigentlich immer nur eine Szene: Den, Sie werden sich hoffentlich erinnern, grandiosen Zusammenbruch der Seilbahn im Film „Alexis Sorbas“. Und wenn man Wimmers Literatur liest, möchte man unentwegt dem Schriftsteller zu rufen: So schön wie Du hat noch niemand etwas zusammenbrechen zu lassen.
Und weil sich dieses Buch um viele „Frauengeschichten“ handelt, kann man das Seite um Seite machen. Nehmen Sie einfach in Kauf, dass Menschen in Ihrer Umgebung Sie merkwürdig ansehen werden, wenn Sie rufen: „Wie schön ist das denn zusammengebrochen!“ und dabei kleine orgastische Lustschreie ausstoßen. Kümmern Sie sich nicht um die anderen Leute! Lesen Sie.
Charles Bukowski war mein Held als ich 14 war und er ist es geblieben. Niemand, auch nicht Hemingway, der große Lapidarist, kommen ihm gleich. Diesem narbigen Mann, der viel zu früh gestorben und doch unsterblich ist. Der MaroVerlag, der damals schon die Quelle meiner literarischen Glückseligkeit war, hat mit dem Gedichtband „Alle reden zu viel“ nun nochmals Gedichte Bukowskis veröffentlicht. Übersetzt hat die Gedichte, die bereits 1986 in den USA erschienen sind, in hervorragender Weise Esther Ghionda-Breger.
Auch diesmal sind die Gedichte Bukowski die Miniaturabbildung von Einfachallem. In jedem Gedicht Hanks ist die Welt vollständig erfasst. Es ist egal, ob sie sich um Sturm und Wagner drehen, um kleine Männer in braunen Anzügen, die in Banken arbeiten oder um schöne Redakteurinnen. Es ist immer, auf eine unfassbare, ja gespenstische Art, DIE WELT, das Alles und damit auch Sie und ich. Jedes Gefühl, dass wir gefühlt haben, kommt darin vor und jede Verzweiflung, die wir überhöhten und theatralisch ausbauten um uns an unserem eigenen Schmerz zu weiden. Alles ist da. Die Autobahnen und die Fußgängerbrücken, die Slums und Ghettos, die Vorstädte und die Innenstadt, die Fußgängerzonen und die heruntergekommen Kneipen, die Viersternerestaurants und die Kaufhäuser. Bukowski muss sich nicht einmal erwähnen – sie sind in den Gedichten ohne jeglichen Bezug auf sie selbst.
Es gibt keine größten Künstler, doch es gibt eine jene literarische Empore, auf die viele nicht kommen, weil sie so hoch ist, dass den meisten die Luft ausgeht beim Aufstieg. Bukowski muss kräftige Lungen gehabt haben. Er steht ganz oben.
Stefan Wimmer
Das Große Bilderbuch der Vulkanvaginas
blond verlag
ISBN 978-3-981729-51-1
€ 15,99 (Geben Sie 16!)
Charles Bukowski
Alle reden zu viel und andere Gedichte
MaroVerlag
ISBN: 978-3-87512-469-9
Preis: 16,80 € (D)