Demokratie, davon bin ich überzeugt, verträgt ein taktisches Verhältnis zu ihr nicht. Dabei weiß ich natürlich: Demokratie trägt in sich schon den Kompromiss zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen der Notwendigkeit zu jener Reglementierung, die zum grundsätzlichen Erhalt der Demokratie selbst nötig ist und der Renitenz gegen eben diese Reglementierung, einer Renitenz, die im Ziel allerdings der Reglementierung entsprechen muss, die also auf den Schutz der Demokratie und nicht auf ihre Vernichtung ausgerichtet sein muss, um in das demokratische Konzert zu passen.
Diese notwendig abstrakte Ebene gehört zur bürgerlichen Demokratie, wie zur sozialistischen. Ihre konkrete Ausgestaltung allerdings findet Demokratie in der Bewahrung der durch die bürgerlichen (nicht: bourgeoisen) Revolutionen und Rebellionen herausgebildeten Elemente.
Pressefreiheit, Freiheit des Wortes, Versammlungsfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, gleiche und geheime Wahlen, Koalitionsfreiheit und Gewaltenteilung.
Diese Rechte sind fallhierachisch, welches das höchste zu schützende Gut ist, kommt auf die Gefährdung an. In der Regel kann man sagen: Jenes Freiheitsrecht, das am meisten gefährdet ist, ist das höchste und muss durch die Wahrnehmung der anderen geschützt werden.
Die hamburgische Stadtregierung, der Senat, hat, durch die bewaffneten Kräfte des Staates im Inneren, also die Polizei, die Gewaltenteilung konkret und durch Handeln aufgehoben. Das Vorgehen der Polizei gegen ein Camp von Demonstranten anlässlich des sogenannten G-20-Gipfels stand diametral gegen ein ergangenes Gerichtsurteil, das nach meiner Kenntnis ebendieses Vorgehen verhindert sollte. Damit wurde die Gewaltenteilung konkret und durch Tun außer Kraft gesetzt.
Zugleich hat der Hamburger Senat eine so weiträumige Bannmeilenregelung getroffen, dass die Versammlungsfreiheit in erheblichem Maße gefährdet erscheint.
Beide Rechte können aber nicht aus taktischen Erwägungen für obsolet erklärt werden. Eine verständige und an ihren Rechten konservativ festhaltende Bürgerschaft muss vielmehr entschieden diese Rechte gegen die Verbote wahrnehmen, weil nicht demokratisch legitimiert sein kann, was die Demokratie suspendiert. Die Annahme eine zeitlich befristete Suspendierung würde im weiteren Lauf der Geschichte die Demokratie nicht schädigen, ist falsch. Was heute verboten wird, wird in der Folge aufgeweicht und verwässert sein. Nur wenn es der Bürgerschaft gelingt aus eigener Kraft Verbote und Suspendierungen demokratischer Rechte zu überwinden, kann der Schaden abgewendet werden.
Es ist daher im Hamburger Fall, wie in jedem Fall, nötig, sich über diese Verbote hinwegzusetzen und die Demokratie, also auch die Verfassung, zu verteidigen.