Mit dem Buch „Theorien des Bösen“ hat Jörg Noller eine Einführung in so mannigfache Theorien über den Begriff des Bösen geschrieben, dass die Klassifizierung als „Einführung“ eine erhebliche Untertreibung ist.
Vielmehr wird hier auf gut einhundertachtzig Seiten ein Abriss über die Auseinandersetzung mit dem Bösen als Begriff und als dessen Inhalt geliefert, die es, soweit ich mich erinnere, noch nicht gibt. Komprimiert, und doch nicht reduziert, führt Noller durch die Begriffs- und Bedeutungsgeschichte, führt durch Philosophie, Psychologie, Pathologie und Theologie des Bösen. Das Böse, das ja zugleich es selbst ist und ein Archisem, also scharf umrissen sein kann oder weit wabernd, ist, wie „das Gute“, ein Begriff, den wir mit seinen Bedeutungsräumen in die politische und die philosophische Debatte, in den allgemeinen Diskurs zurückholen sollten, meiner Meinung nach gar: müssen.
Mein Weltbild ist materialistisch, es ist ein dialektisches Weltbild. Aber dieses Weltbild entsteht durch die romantische, idealistische Vorstellung davon, dass eine gute Welt möglich ist, was eine schlechte, zumindest als Vorstellung, voraussetzt. Der Materialismus (mit seiner Dialektik, seiner Logiken und seiner Treue [wiederum ein romantischer Begriff] zur Wissenschaft) ist das Werkzeug, der Gebrauch des Tools allerdings entspringt notwendigerweise aus einem amaterialistischen, einem idealistischem, Wollen heraus.
Die Ablehnung von Ausbeutung, Sklaverei, Unterdrückung usw. ist die Ablehnung des Bösen zugunsten eines Guten (nämlich der Negation des Bösen, das wiederum die Abwesenheit des Guten ist). Aller Kampf, von den Lohnkämpfen, bis zu den Demonstrationen zur Seebrücke, vom Feminismus bis zur Demokratisierung der Arbeitswelt, von der Erhebung Spartakus‘, bis zu heutigen Revolutionen und Revolten, sind der Versuch das Gute an die Stelle des Bösen zu setzen. Eine bessere Welt ist immer eine romantische Vorstellung, ein Ideal und also idealistisch.
Wir haben uns die Verwendung des Terminus des Bösen in der politischen Debatte selbst und zu Unrecht versagt. Die Beachtung der Bedeutungsweite des Begriffs, den das Buch von Noller so großartig umreißt, ist eine nötige und mit diesem Buch auch eine spannende Aufgabe.
Meine Empfehlung lautet also: Unbedingt lesen!