Gerrit Confurius: Ichzwang. Für eine Psychologie jenseits des Individuums
Der freie Autor und ehemalige Verlagslektor Gerrit Confurius hat mit seinem Buch „Ichzwang“ ein Plädoyer für eine Neupositionierung in der Psychologie bezogen auf die Wertigkeit des Ichs geschrieben. Im Zentrum seiner Überlegungen steht das Konzept des „Ichzwangs“, worunter er „eine Logik und [einen] Mechanismus der Seele“ versteht. Die Gefahr, auf die er damit zu antworten glaubt, ist einerseits die in der modernen Gesellschaft anzutreffende Gefahr der Selbstentfremdung des Ichs, aber auch die herkömmliche psychologische Theorie, die seiner Meinung nach, den „Ichzwang“ verkennt. So schreibt er etwas unbeholfen: „Man muß schon die randständige Philosophie und die nicht-fachliche, belletristische Literatur durchforsten, um Hinweise auf die wahre Natur des Ich zu finden.“
Als Gewährsmann muß dann erst einmal Kierkegaard mit seinen Überlegungen zur Angst herhalten, ebenso Jean-Paul, den er etwas unvermittelt zitiert. Daraus leitet er das erkenntnisleitende Interesse seiner Arbeit ab: „Wenn man sich einmal mit dem Gedanken vertraut zu machen und anzufreunden versucht, dass es sich bei den normativ relevanten Abweichungen nicht um das Dekadenzphänomen des Nachlassens von oder des Mangels an Ich-Stärke handelt, sondern in Wahrheit um Beweise für eine gesteigerte Aktivität des Ich, nicht um depressive Antriebshemmung, sondern um Raserei, nicht um Sich-Hängenlassen,sondern um Delirium – dann schließt sich sogleich die Frage an, ob nicht deren Verkennung als Schwäche das Problem, das die Gesellschaft mit zahlreichen Fällen von Abweichung hat, durch ihre Verständnislosigkeit und ihr Verkennen, indem sie es zu erkennen und zu kurieren meint, überhaupt erst erzeugt.“
Es folgt ein ermüdender Rundgang durch die Geistesgeschichte von Freud, über Schopenhauer, Sartre, Kant, Husserl, Lacan, Thomas Mann, Franz Kafka und Rousseau, die er alle irgendwie als Referenzquellen für seine Theorie patchworkartig heranzieht, und der letztendlich in seiner Theorie der Ich-Stärke mündet.
So interessant sein Ansatz auch sein mag, seine Heransgehensweise weist einige fundamentale Schwächen auf. Die Beispiele wirken wahllos herangezogen, und gut klingende Zitate ersetzen empirische Erfahrungen. Confurius‘ Angriff auf die herkömmliche Psychologie mag zweifellos ihre Berechtigung haben, aber die Umsetzung wird seinem Ziel in keiner Weise gerecht. Hier findet sich ein wildes Gemisch aus Romanpassagen und philosophischen Zitaten, die verbunden sind durch die noch zu wenig ausgegorenen Überlegungen von Confurius. Hier schreibt ein Enttäuschter oder Wütender, der noch nicht den nötigen Abstand zu seinem Forschungsgegenstand gefunden hat.
ISBN: 978-3882216158, 219 S., Preis: 14,80 €.