Anarchismus in der Luisenstadt / Kreuzberg & Agnes Reinhold, eine vergessene Kämpferin der anarchistischen Bewegung

Bereits in den 1990er Jahren plante der leider bereits verstorbene, anarchistische Historiker Andreas Graf einen anarchistischen Reiseführer bzw. eine Karte mit den Adressen und Orten der anarchistischen Bewegung in Berlin. Leider ist nie etwas aus dem Projekt geworden. Mittlerweile bietet die Gustav Landauer Denkmalinitiative anarchistische Stadttouren auf Spendenbasis an.
Neben den Touren hat die Initiative nun auch eine Broschüre zur anarchistischen Bewegung in der Luisenstadt / Kreuzberg von den Anfängen bis 1933 publiziert. Die Luisenstadt, die heute weitgehend in den Bezirken Kreuzberg und Mitte aufgegangen ist, war bereits vor den wilden Westberliner Zeiten ein Zentrum anarchistischer und sozialistischer Aktivitäten.   
Beispielsweise befand sich im Bezirk die Druckerei von Gustav Landauers Sozialist und die der FAUD-Zeitschrift Der freie Arbeiter, der mutige Verleger Bernhard Zack, der u.a. die unter dem Pseudonym Sagitta publizierte Homosexuellenliteratur von John Henry Mackay sowie die von ihm redigierte Reihe Propaganda des individualistischen Anarchismus herausgab, betrieb in der Luisenstadt eine Buchhandlung – vielleicht die erste Buchhandlung, die offen anarchistische Literatur vertrieb. Selbst die erste anarchistische Zeitung Deutschlands wurde hier im Bezirk erstellt. Jene Geschichten und Locations, in denen diese geschrieben wurden, stehen im Mittelpunkt der Broschüre.  

Manche der Strukturen haben gewissermaßen die Zeiten überlebt. Der ehemalige Fürstenhof, in dem die Jahresversammlungen der Freien Arbeiter Union Deutschlands stattfanden, beherbergt heute das anarchistische Zentrum Köpi. Die meisten Spuren sind allerdings bereits verschwunden…      

Neben der Broschüre hat die Initiative eine Broschüre über Agnes Reinhold, eine vergessene Kämpferin der anarchistischen Bewegung herausgegebene. Jene „anarchistische Luise Michel“, die auch zur Namenspatin eines neu entstehenden linken Zentrums in Berlin-Wedding gewählt wurde, ist eine sehr interessante Gestalt des deutschen Anarchismus. Sie verfasste mehrere bedeutende Flugblätter (z.B.: An die Frauen des Volkes) und auch Beiträge für die anarchistische Presse im ausgehenden 19. Jahrhundert – darunter Gustav Landauers Sozialist und Autonomie. Neben ihrer Geschichte, die in den Kontext von Bismarcks Sozialistengesetz und der damaligen anarchistischen Bewegung eingebettet ist, sind auch zwei Flugblätter, Zeitschriftenbeiträge von ihr sowie ein Beitrag über  den gegen sie geführten Prozess abgedruckt.


Sehr akribisch recherchiert und gleichzeitig sehr lebendig geschrieben, erzählen die Broschüren von den Hochzeiten der Bewegung. Zahlreiche Scans von zeitgenössischen Postkarten und aus der anarchistischen Presse sowie aktuelle Fotos bebildern die Broschüren und lassen die Lesenden auch visuell an der  Geschichte teilhaben. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Broschüre kommen der Denkmalinitiave zu Gute, die ein Denkmal für Gustav Landauer in Berlin errichten will.

Maurice Schuhmann

Die jeweils 44seitige Broschüren Der „Fürstenhof“ (Köpi) und die anarchistische Bewegung in der Luisenstadt / Kreuzberg bis 1933 und Agnes Reinhold, eine vergessene Kämpferin der anarchistischen Bewegung sind jeweils  gegen Spende + Porto (Richtwert: 3 – 5 Euro) bei der Gustav Landauer Denkmalinitiative (Berlin) sowie in ausgewählten Berliner Buchhandlungen und Infoläden zu beziehen.

Kontakt: https://www.gustav-landauer.org/blogs/denkmal-initiative