Das Leid der Juden, der Weg zur Vernichtung unter der nationalsozialistischen Herrschaft ist vielfach geschildert worden, eine zentrale Rolle nimmt dabei das «Tagebuch der Anne Frank»  ein.
Im Ullstein-Verlag ist nun als Taschenbuch das Tagebuch des Mosche Flinker unter dem Titel «Auch wenn ich hoffe» erschienen, dass sich nicht in der Intensität, wohl aber im Erleben vom Tagebuch der Anne Frank unterscheidet. Es stellt deshalb eine Fortsetzung der Opferschilderungen dar. Ich hielte es für ausgesprochen sinnvoll, wenn es, wie vielfach (aber noch viel zu selten) Franks Tagebuch Teil der Schullektüre werden würde.

Flinker war, als er am Passahfest 1944 mit seinen Eltern aus Brüssel verschleppt und in Auschwitz ermordet wurde, 17 Jahre alt. Sein Vater stammte aus Polen, war in die Niederlande ausgewandert und floh mit der Familie 1940 vor den deutschen Faschisten und ihren niederländischen Helfershelfer nach Belgien. Von hier verschleppte die Faschisten die Familie 1944, ein Jahr vor Kriegsende nach Auschwitz, in das Todeslager. Die Geschwister überlebten und fanden nach Kriegsende das Tagebuch.

Die Sicht auf die Welt, auf die Verfolgung der Juden in Europa, aber auch auf die Kumpanei arabischer Faschisten mit den deutschen, der Wunsch in eigener Tat für einen Schutzraum in Israel zu kämpfen, die Unfreiheit, die Bedrängnis und Erniedrigung, die ständige Angst vor Leid und Tod sind mit Intensität geschilderte Momente dieses Buches.

Eindringlich, mit hoher Begabung und begnadeter Erzählkunst, das allerdings korrespondiert ganz mit Anne Frank, schildert der junge Mann seine Welt. Und zu ihr zählen die Sehnsucht nach Freiheit, nach Israel und der Wunsch sich gegen die Bedrücker erheben zu können ebenso, wie die ganz offenbare Liebe zur Lyrik.

Vor uns liegt nicht nur ein Zeitdokument, nicht nur bloße Schilderung, sondern ein literarisches Werk. Das allerdings steigert die Betroffenheit, die Wut und den Zorn. Die Betroffenheit über Shoa und Porajmos, die aber nichts ist, wenn sie nicht Wut und Zorn gebiert und damit die Faust, aus der die Macht kommen muss, eine Wiederholung zu verhindern. Dazu können, auch in kommenden Generationen, beide Tagebücher helfen. Anne Frank und Mosche Flinker eigenen als Basis für ein Bewusstsein, in dem für Antisemitismus und Rassenhass kein Platz mehr ist.

Natürlich muss erwähnt werden, dass in einer Art sehnsüchtiger Verzweiflung der Flinker vieles falsch sah, sich aber auch revidiert, immer hoffend auf den «Ort» Israel, der ihm wie ein Utopia erscheint, das allerdings erreichbar ist. Er versucht den von Deutschland vom Zaun gebrochenen Krieg einzuordnen in den Kampf der jüdischen Freischärler um Israel.

Das Ende des Krieges hat Mosche Flinker nicht erlebt. Sein Tagebuch endet am Tag der Deportation, am Abend des Passah-Festes , am 8. April1944 .

Das Vorwort hat Saul Friedländer geschrieben, dessen Werk «Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Vernichtung 1939–1945» zu Recht 2008 mit dem Pullitzer-Preis ausgezeichnet wurde.

Mosche Flinker, Auch wenn ich hoffe; Taschenbuch, 176 Seiten, ISBN-13 9783548376936, 8,99 €

Auf völliges Unverständnis stößt bei mir aber die handwerkliche Beschaffenheit des broschierten Buches. So kann mit einem solchen Text nicht umgehen. Durch das ganze Buch hindurch tummeln sich die Schusterjungen, also die unten auf der Seite stehenden verwaisten Absatzanfänge, die eigentlich auf die nächste Seite gehören. Auch gibt es keinen optischen Randausgleich, der einen ordentlichen Blocksatz schafft. Das mag ja bei Chicklit noch durchgehen – aber einem solchem Text? Diese Gleichgültigkeit dem Inhalt gegenüber, diese Verschluderung von ordentlichem Satz und damit auch die Unachtsamkeit Autor und Leser gegenüber geht nicht. Vielleicht sollten sich Verlage darauf besinnen, dass Bücher eben mehr sind als bedrucktes und verleimtes Papier.