borowskiBorowski oder die Endlichkeit der Illusion

Schon im vergangenen Jahr ist im trafo Literaturverlag ein Novelle von Gerhard Schumacher erschienen, die es leider nicht in Feuilletons geschafft hat. Eine ausgesprochen bedauerliche Tatsache übrigens, die im Wesentlichen der Verfasstheit der Kulturseiten hiesiger Zeitschriften geschuldet ist: Die Feuilletons sind geschrumpft, ihr Platz wird mit Merkwürdigkeiten und themenfernen Beiträgen verschwendet. Man braucht sich also nicht zu wundern; darf jedoch bedauern.

Gerhard Schumacher hat in den letzten Jahren eine Reihe Bücher im trafo-Verlag veröffentlicht. Mit „Borowski“ hat die literarische Darstellung von Unsitte und mangelndem Anstand auf gleich mehreren Ebenen vorgelegt. Ein dreidimensionales Bild, wenn man so will. Das Bild von bürgerlichen Konventionen, menschlicher Niedertracht und jene Friktionen, die im Literaturbetrieb nicht unbedingt unüblich sind.

In der Sommerfrische der Berge treffen sich seit Jahren drei Schriftsteller samt Gattinnen. Abseits des Dorfes, hochgelegen, befindet sich der Gasthof, welcher für gute Küche und ausgesuchte Weine bekannt ist. Man lässt es sich gut gehen, frisst, säuft und beleidigt sich. Die Welt der Literaten ist in Ordnung. Sanft fast stößt in diese Eintracht aus Völlerei und Niedertracht Borowski hinein. Wie ein Stein, der langsam in einen Teich gelassen wird, verdrängt er behutsam das graue Wasser, macht Risse deutlicher, wird dadurch zum Teil der Berggesellschaft. Es geschieht nicht viel in dieser Novelle, die dramatischen Höhepunkte sind kaum mehr als leichte Erhebungen in einer tristen, vom Wind der Gemeinheit gezausten Gesellschaft. Aber es braucht nicht mehr. Denn Schumacher kann, was offenbar aus der Mode gekommen ist: literarisch Schreiben. Da wimmelt es nicht von antiliterarischer Sprache, so wie ich sie gerade in einem preisgekrönten Buch erleben muss, dass zu besprechen ich die Arbeit habe. Nein, bei Schumacher wird erzählt auf einem hohen sprachlichen Niveau und doch ohne jedes Kalkül, ohne jede bildungsbürgerliche Attitüde. Da fehlen – zum Glück – alle doppelten Sprachböden, da wird kein schlechter Plot hinter affektierter Sprache versteckt. Nein: Hier stimmt die Geschichte und die Sprache.

Schumacher zeigt uns die Boshaftigkeit bürgerlicher Beharrungsmechanismen, des bourgeoisen Benimm, einer ordentlichen Ignoranz und die Neidpartikel, die wie Staub immer wieder die Teilnehmer der Sommerfrische bedecken.

Gerhard Schumacher hätte, ganz sicher, mehr Aufmerksamkeit verdient. Aber was nicht ist, wird hoffentlich noch kommen.

Gerhard Schumacher, Borowski oder die Endlichkeit der Illusion
trafo Literaturverlag, ISBN 978-3-89626-947-8, € 9,80, 128 Seiten

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