A Psychodynamic Approach to Female Domination in BDSM Relationships

Im britischen Routledge Verlag ist eine sehr lesenswerte Studie zu BDSM [Bondage-Discipline-Dominance-Submission-Sadomasochism] erschienen – „A Psychodynamic Approach to Female Domination in BDSM Relationships“. In der Studie beschäftigt sich die in Berlin lebende französische Autorin Nathalie Lugand mit dem Themenkomplex weiblicher Dominanz, einem nicht zuletzt auf Grund der u.a. durch Sigmund zugeschriebenen passiven Rolle der Frau in der Sexualität bislang stiefmütterlich behandelten Thema. Ihre leitenden Fragen sind diesbezüglich: „How do we transform ourselves through work? What difficulties does the sexual division of labor cause in the erotic economy? How does work turn out to be both a formative and self-transformative movement? What are the effects of the organization of work on the construction of sexual identity? What does the reference to ethics in BDSM relations bring to the practices of female domination? In what way and how do the defenses developed by women and men take hold in intimate life? What are the impacts of recent changes in the organization of work n the modalities of female domination?“ (2).

Als konkretes Forschungsinteresse benennt sie konkret: „The objective of my research was to explore the conditions of the practice of female domination in different contexts: in dungeons, in the bedroom, or in public toilets. Although concerned with the organization of the BDSM scene, my interest was mainly directed toward the impact of the capitalist organization of work and gender relations on the interactions between participants“ (12).

Sie füllt diesbezüglich nicht nur eine wichtige Forschungslücke zur Einordnung von weiblicher Dominanz, sondern bietet ebenso wichtige neue Denkanstöße. In insgesamt sechs Kapiteln, wobei sich vier inhaltlich mit dem Thema BDSM beschäftigen, geht sie diesen Fragen nach – aus einer (sexpositiven) feministischen Sicht. Dabei beschäftigt sie sich u.a. mit bislang selbst in der Szene stiefmütterlich behandelten Themen wie Money slavery (Kapitel 4) oder der professionellen Sexarbeit in diesem Bereich (Kapitel 2). Gerade letzterer ist interessant, da sie nicht die sonst üblichen Selbstdarstellung von Dominas übernimmt, die den BDSM-Buchmarkt bevölkern, sondern als partizipierende Feldforscherin agiert. Ein (Groß-)Teil der Kapitel beruht auf den Forschungen zu ihrer (unveröffentlichten) Doktorarbeit im Bereich Sozialpsychologie, die sie 2017 an der Universität Sorbonne in Paris verteidigte sowie einem bereits in einer Fachzeitschrift erschienen Beitrag.

In Form von empirischer (Feld-)Forschung (als Mitarbeiterin in einem Dominastudio) sowie ergänzenden Interviews, die sie in Frankreich und Deutschland geführt hat, nähert sie sich der Thematik. Sie überschreitet somit die Grenze zwischen kommerzieller und nichtkommerzieller Szene in ihrer Forschung, wobei sie als verbindendes Element den Care Work-Aspekt, d.h. einen feministischen Ansatz, aufgreift. Ebenso ist der Blick über den deutschen Tellerrand von großem Interesse.

Es ist erfrischend, mal in der Forschung zu BDSM neuere Ansätze jenseits der ausgetretenen Wege – gerade auch aus einer feministischen Perspektive – kennenzulernen. Ebenfalls von großem Interesse ist die reichhaltige Literaturliste von ihr, die vorrangig englisch- und französischsprachige Titel führt.

Maurice Schuhmann

Nathalie Lugand: A Psychodynamic Approach to Female Domination in BDSM Relationships: Sexuality Between Pleasure and Work, Routledge London / New York 2023, 132 S., ISBN: 103219295X; Preis: ca. 44,00 Euro.

P.S.: Hierbei handelt es sich um eine leicht veränderte Fassung einer in der Zeitschrift „Schlagzeilen“ (https://www.schlagzeilen.com) erschienen Rezension. Für die aktuelle Ausgabe (Nr. 198) jener Zeitschrift wurde vom Rezensenten auch ein Interview mit der Autorin geführt.