Dies versucht er in drei Kapiteln (I. Theorie, II. Praxis, III.
Ausblick und Ergebnis) abzuhandeln. Im Fokus stehen dabei Karl Marx
(„Kommunistisches Manifest“), Friedrich Nietzsche („Unzeitgemäße
Betrachtungen“) und Heinrich Mann („Im Schlaraffenland“), die er als
die „Gründungsväter der sozialen, ästhetischen und sozioästhetischen
kapitalismuskritischen legtimation narrative“ (S. 7) heranzieht.
Sein methodischer Rahmen speist sich dabei aus einer Verbindung der
Nouvelle Sociologie Economique und der Critical Discourse Analysis,
d.h. er kombiniert wirtschaftssoziologische und linguistische Methodik
miteinander, um die Kapitalismuskritik darzustellen. Lapidar heißt es
bei ihm über die Verbindung: „Insgesamt gewinnen CDA und NSE, wenn sie
(wie in dieser Arbeit) interdisziplinär miteinander verbunden werden –
über den Geist des Kapitalismus, den die CDA als Diskurs und die NSE
als Ideologie begreift“ (S. 45). Hierbei wird aber auch schon das
größte Manko der Arbeit deutlich – er benennt nicht deutlich, was das
konkrete Anliegen bzw. das Forschungsinteresse seiner Arbeit ist.
Dementsprechend schwammig klingt die Begründung für die Wahl der
Bedeutung.
Im zweiten Kapitel – dem „Praxis“-Teil – widmet sich Peter Schallmayer
den drei Denkern als Kontrahenten gegen den Bourgeois (Marx), den
Philister (Nietzsche) und den Bürger (Mann). Sie laufen auf eine
holzschnittartige Darstellung der jeweiligen Eigenerzählung und der ihr
gegenüberstehenden Gegenerzählung bezüglich eines vier Facetten
(Gegenstände, Sprecher, Begriffe, Themen) umfassenden Analyserasters
hinaus.
Abgesehen von einigen holprigen Stellen („wobei Marx der mastermind
ist“ [S. 54], ) im Marx-Abschnitt und streckenweise sehr wüsten
Sprüngen innerhalb des zitierten Marxschen Werkes, die den zeitlichen
und politischen Entstehungskontext komplett ausklammern, ist dieses
Kapitel gut gelungen. Es klärt sich in diesem Abschnitt langsam das
seiner Arbeit zu Grunde liegende Forschungsinteresse; es geht ihm
weitgehendst um eine Deskription und Darstellung jener Form der
legitimation narratives, die er anhand seiner Frühschriften
nachvollzieht.
Seine Fokussierung bei Nietzsche ist auf die Gegenüberstellung von
Künstler und Philister ausgerichtet, wobei ihm vor allem die gegen
Johann David Strauss gerichtete „Unzeitgemäße Betrachtung“ als
Grundlage seiner Analyse dient. Dabei bewegt er sich wie jener Leser,
vor dem Nietzsche grauste – er zieht plündert durch dessen Werk und
zieht sich einzelne Zitate – des Kontextes beraubt – heraus. Dazu
kommen zweifelhafte Interpretationsansätze (Gleichsetzung des
apollinischen Prinzips mit dem bürgerlichen, vgl. S. 95) und von
Unkenntnis geprägte Verfälschungen „So legt der rechtfertigende
Übermensch [sic!] den Grundstein für eine Gegenbewegung“ (S. 99).
Ähnlich wie im vorherigen Kapitel springt er zwischen den
nachgelassenen und den publizierten Texten hin und her und läßt die
geistige Entwicklung ganz außer acht.
Als weiteren Denker führt er Heinrich Mann an, dessen o.g. Roman er mit
Verweis auf David Gross wegen seiner Beschreibung des Kapitalismus in
Deutschland wählte. Dabei steht stärker als in den vorherigen Kapiteln
eine interpretativ untermauerte Wiedergabe des Inhaltes. Im Gegensatz
zu den anderen Kapiteln konzentriert er sich (fast) ausschließlich auf
diesen einen Text – eine solche Fokussierung wäre auch bei den
vorherigen Abschnitten wünschenswert gewesen. Der Abschnitt ist solide
gestaltet – und hätte sich als Vorlage für das Vorgehen in den
vorherigen Abschnitten angeboten.
Im Ausblick versucht Schallmayer eine Verbindungslinie zwischen den
kapitalismuskritischen 'legimation narratives' der drei Denker und dem
SPD-Politiker Müntefering zu ziehen. „Insgesamt zeigt ein Blick auf
Münteferings KLN, dass der SPD-Politiker das Erbe der Gründerväter
Marx, Nietzsche und Mann antritt“ (S. 159). Mit seiner Methodik,
nämlich einem Versuch seine Form der Untersuchung auch auf Müntefering
zu übertragen, kann er rein strukturell diese These gar nicht
untermauern. Er zeigt in diesem Abschnitt lediglich, daß einzelne
Aspekte in den Reden Münteferings mit der von ihm benutzten Methode
analysiert werden können. Eine Rückbindung und Abgleichung der
Ergebnisse jener Analyse an die seiner im Hauptteil exzerpierten bleibt
er schuldig. Ergo fehlt auch die Untermauerung seiner These. Er
versucht sich aus diesem Dilemma mit einer Wischiwaschiaussage à la
„Marx, Nietzsche, Mann und Müntefering greifen auch auf dieselbe
Praktik des Kritikübens zurück, die von der Beunruhigung und Empörung
über die eigentliche Kritik hin zu den Lösungsvorschlägen führt“ (S.
170) zu winden. Es ist ärgerlich, daß der durchaus spannende
methodische Ansatz der Arbeit nicht adäquat umgesetzt wurde. Die Arbeit
verliert sich alleine schon bei dem Versuch der Quantität der
untersuchten Autoren an Qualität – hier hätte die alte Weisheit, daß
weniger häufig mehr ist gegolten. Weiterhin macht sich das Fehlen einer
klaren Fragestellung deutlich. Dem Leser wird erst nach und nach klar,
worum es Schallmayer in seiner Untersuchung konkret geht, wobei ihm das
selber streckenweise nicht klar zu sein scheint.