Ein Sommer in Niendorf
Der Sommer ist zwar schon vorbei, aber es lohnt sich trotzdem einen Blick in den letzten Roman von Heinz Strunk – „Ein Sommer in Niendorf“ – zu werfen. Der Musiker und Autor Strunk („Der goldene Handschuh“) ist ja längst kein Unbekannter mehr im literarischen Leben Deutschlands und auch die aktuelle Veröffentlichung stützt diese Wahrnehmung. Unlängst sind mehrere seiner Romane Bestseller und er hat auch schon einen Literaturpreis erhalten.
Im Zentrum seines aktuellen Romans steht Roth, ein Geschäftsmann der einen Roman schreiben möchte. Der Protagonist nimmt sich eine Auszeit – ausgerechnet am Timmendorfer Strand, wo er in diesem gesellschaftlichen Biotop mit seiner bürgerlichen bzw. hochnäsigen Arroganz deplatziert wirkt. Eigentlich will er hier einen Roman verfassen, stattdessen taucht er in das Leben hier ein. Zu den Abenteuern jenes Snobs gehört ein Besuch in der örtlichen Dönerbude. In seiner Beschreibung klingt dies wie folgt: „Der Chef öffnet die Tür zur Küche und gibt mit kehliger Nordmännerstimme die Bestellung auf. Wie zur Antwort huschen mehrere Katzen hinaus, denen ein Hund folgt, schmutzig-braun-graue Promenadenmischung. (…) Roth stellt sich einen winzigen Mann, einen Zwerg vor, der in der dunklen Küche tagein, tagaus Döner-Spezialitäten zubereitet, die Tiere helfen ihm dabei.“ (80).
Widerstrebig freundet sich Roth mit dem dortigen Strandkorbverleiher und Betreiber des örtlichen Spirituosengeschäfts an, der ihn langsam in den dämonischen Sog der Banalität. „Breda, Typ krummer, langer Lulatsch mit Plauze, strohiges Haar, pergamenthäutig, dünne Ärmchen und Beinchen, hat das Äußere eines chronischen Alkoholikers. Unter seinem engen T-Shirt zeichnen sich ein halbes Dutzend Speckrollen und zwei auf den Sauf-Spitzbauch herabhängende Titten ab.“ (11). Im Lauf seines Aufenthalts komplettiert das ungleiche Trio mit Simone, der Freundin des Schnapshändlers, die als krasse Anti-Traumfrau beschrieben wird. Jene Freundschaft hinterlassen ihre Spuren und verändern Roth grundlegend.
In jenem sehr gut geschriebenen Roman schafft es Strunk einen Balanceakt hinzubekommen zwischen Komik und Zynismus, den man aushalten muss. Seine Beschreibungen sind sehr pointiert – und ab zu erwischt man sich dabei, dass man sich in den zynischen Kommentaren wiedererkennt. Sehr lesenswerter Roman.
Maurice Schuhmann
Heinz Strunk: Ein Sommer in Niendorf, Rowohlt Verlag Hamburg 2022, 240 S., ISBN: 978-3498002923, Preis: 22 €.