Rücksichtslose Staatskritik
„Max Stirner‘s Der Einzige und sein Eigentum (1844) is the first ruthless critique of modern society“ (1) beginnt die Studie des Übersetzers und Publizisten Jacob Blumenfeld, der bereits eine Reihe von wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Beiträgen über die Junghegelianer. In seiner, in drei Abschnitte („Stirner‘s Revenge“, „Stirner‘s World“, „My Stirner“). Im ersten Abschnitt diskutiert er eingangs fünf Ansätze der Stirner-Rezeption (z.B. als Junghegelianer, als Kleinbürger, als Nihilist) und nennt weitere Interpretationsansätze um sich davon abzugrenzen. Diese Ansätze faßt er unter dem Aspekt zusammen: „Historismus“ (10), um ihn außerhalb des Kontexts als praktischen Philosophen (14) zu lesen. Der Ansatz ist interessant und wird auch plausibel-logisch dargestellt.
Im zweiten Kapitel stellt er Stirners Denken vor. Es ist dabei auf das englischsprachige Publikum ausgerichtet. Immer wieder erläutert er – seiner Profession folgend – die Fehler bei den bisherigen Übersetzungen von einzelnen Schlagworten.
Das dritte Kapitel, in dem er seine eigene Position darlegt, ist durchzogen von kleineren Zwischenspielen – z.B. zu Gustav Landauer, Michel Foucault oder Martin Heidegger. Beim Aufbau orientiert er sich an zentralen Kernbegriffen – Revolte, Freiheit, Nichts etc.. Die Darstellungen sind pointiert und klar. Sie umfassen auch die wesentlichen Aspekte des Stirnerschen Denkens.
Im Fazit erläutert er: „Why still read Max Stirner today? – Because now that we live at the end of history, it might do us some good to look at a few of the first ideas that pointed beyond it“ (132). Insgesamt ist es sicherlich eine gute und lesenswerte Einstiegslektüre in die Philosophie Stirners in englischer Sprache. Für die deutschsprachige Auseinandersetzung würden sich allerdings andere Texte eher anbieten – z.B. die Klassiker wie Schultheiß („Grundlagen zum Verständnis von Der Einzige und sein Eigentum“). Vor diesem Hintergrund ist dieses Buch für Kenner*innen sicherlich eine empfehlenswerte Lektüre.
Der häufige Verweis auf andere Denker – vor allem auf französische (Deleuze, Guy Debord etc.) und auf Marx erschwert teilweise die Lektüre. Die Fokussierung auf Marx scheint mir auch nicht adäquat zu sein, da er gewisse Aspekte der Auseinandersetzung von Marx und Stirner – u.a. die Rolle von Friedrich Engels – nicht berücksichtigt. Weiterhin gibt es auch ein paar einzelne Kritikpunkte. Blumenfeld ist bezüglich einzelner Aspekte nicht immer ganz auf dem Stand der aktuellen Forschung. So zitiert er auf Seite 12 G. Edward, der nicht, wie er meint, höchstwahrscheinlich Stirner selbst war. Diese zeitweilig in der Forschung kursierte Auffassung kann mittlerweile als überholt gelten. Bei der Fokussierung auf den Begriff „Egoismus“ bei Stirner übersieht er die Referenzen, die dieser bei Feuerbach und auch bei Johann Wolfgang von Goethe nimmt. Ebenso hätte in die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Eigners, die bereits 1977 von Bernd Kast nachgewiesene Referenznahme Stirners auf Adam Smith, den dieser zu jener Zeit ins Deutsche übersetzte.
Maurice Schuhmann