Philip Roth: Exit Goth auf Hör-CD ist ein Ereignis
Roth ist ein Autor, dessen zurückhaltende, niemals mit Taschenspielertricks dramatisierte Schreibkunst einen Meilenstein der US-amerikanischen Literatur darstellt. Er ist – wenn ich so sagen darf – das gleichgewichtige Kontergewicht zu Hemingway oder Bukowski, zum Beispiel. Er hat es verstanden, eine eigene Traditionslinie zu schaffen.
In Exit Ghost geht es um einen Schriftsteller, einen älteren Mann um die Siebzig, der seine ländliche, abgelegene Klause verläßt und nach New York fährt. Ein Retourbillett in jünger Jahre. Stets drängt in alle Handlungen Erinnerung, bedrängt den Protagonisten, drängt zum Dableiben in NY und zur Rückkehr aufs Land zugleich. Zudem hat der Protagonist nicht nur seine Potenz nach einer Prostataoperation verloren, sondern ist auch inkontinent.
Roths Vermögen, Menschen, ihre Interaktionen und Gedanken mit Akkrebie und einer non-chalanten Ruhe zu schildern ist grandios. Und er liefert dabei ein politisches Sittengemälde der USA. Er ist, und dieser Umstand ist zu bedauern, leider noch nicht mit jenem Preis ausgezeichnet, welcher ihm, nicht nur meiner Meinung nach, sondern, wenn ich es richtig verstanden habe, auch nach der von Reich-Ranicki zusteht: Dem Literatur-Nobelpreis. Exit Ghost wäre, neben anderen Büchern Roths eines, welches zur Vergabe dieses Preises führen könnte.
Zu loben aber auch ist der Übersetzer. Dirk von Gunsteren hat eine hervorragende Arbeit abgeliefert. Jede Sprachebene stimmt, die Wörter sind adäquat und die Dialoge lebendig. Das ist heutzutage nicht der Standard.
Gelesen hat das Hörbuch Peter Fitz. Auch er ist die richtige Wahl gewesen. Seine Stimme vermittelt dem Hörer die Authentizität, die nötig ist, um sich hineinfallen zu lassen in die Story. Er ist also der Protagonist, folglich wird der Roman nicht vorgetragen oder vorgelesen, sondern berichtet. Das Schauspiel findet in der Phantasie mit jener Leichtigkeit statt, die nur zu erreichen ist, wenn jener, der spricht von hohen Gnaden sprechen kann. Fitz kann das.
8 CD – 554 Minuten