unglueckeingriecheVon der Nachbarschaft zu Göttern

Der Kunstmann Verlag erfreut dieses Jahr mit der ersten deutschen Ausgabe von Nikos Dimous berühmten, 1975 erstmals publiziertem, Aphrorismenband „Über das Unglück, ein Grieche zu sein“. Gleichwohl der Autor im Nachwort zur deutschen Ausgabe vehement bestreitet, dass der Leser es mit einer lustigen Aphorismensammlung zu tun habe, sondern vielmehr mit einem bitteren Nachdenken über das Unglück der Griechen, ist beides wahr. So amüsant dieses Nachdenken auch ist, so erinnert es im Kern an die Geburt ursprünglicher Dramaturgie; Komödie und Tragödie, die an keinem Ort der Welt derart zu einer Einheit zu verschmelzen scheinen wie in eben dieser Region.

So mancher Südslawe findet sich in den Aphorismen darum ebenso wieder – nicht ohne dass Dimou mit selbstironischem Finger auf der Vermischung der Griechen mit den Slawen hinweist; in einprägsamer, scharfsinniger und gleichzeitig superb unterhaltender Suche nach der griechischen Identität. Das Büchlein bezaubert mit frischen und intelligenten Aphorismen, deren zeitlose, tragische Komik bar jeder schwülstigen Schwere ist. Vielmehr brilliert Tiefe gepaart mit seltener Leichtigkeit, die weite Ein- und Fernblicke gestattet – so ist es also, wenn man Hellas sein Erbe nennt.

„Die These dieses Buches ist, dass beim Neugriechen aufgrund seiner Geschichte, seines Erbes und seines Charakters die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit größer ist als beim Durchschnitt der anderen Menschen“. Möglich – aber welch andere Gesinnung sollte denn auch die Wiege eines ganzen Kulturkreises bereitstellen? So stellt sich dann auch vor aktuellem Hintergrund nicht die Frage, ob Griechenland versagt hat, sondern vielmehr die zentrale Frage, ob Europa geistig und kulturell ohne den Faktor Chaos überleben kann; sind wir doch mittels Zahlenrechen dabei, unsere Entwurzelung stetig voranzutreiben. Vielleicht ist in Wahrheit das größere Unglück, kein Grieche zu sein.

 

Nikos Dimou: Über das Unglück, ein Grieche zu sein

Übersetzung: Maro Mariolea
Gebundene Ausgabe: 80 Seiten
ISBN-13: 978-3888977657

Antje Kunstmann Verlag

http://www.kunstmann.de