Wer schon einmal durch Randgebiete von Paris, Marseille oder anderen französischen Großstädten gefahren ist, weiß, wo dringend die Milliarde investiert werden müsste, die nun, mirnichtsdirnichts und hastdunichtgesehen, wie im Märchen, zur Verfügung steht, um die Notre Dame zu rekonstruieren.
Die Mittelverschwendung aus dem Gesamtvermögen des französischen Staatsvolks ist völlig falsch. So geht es nicht. Ich bin, das dürfte bekannt sein, der Meinung, dass der Brand, auch wegen der Strukturbeschädigungen, eine Katastrophe von globaler Wirkmächtigkeit ist. Ich bin aber keinesfalls der Meinung, dass man in einem Staat, an dessen Spitze eine neoliberale Regierung steht, der es nicht gelingen kann, die Armut zu beseitigen, oder wenigstens weniger schlimm zu machen, denn diese Regierung will das genau nicht, … dass also in einem solchen Staat Milliarden in die Rekonstruktion eines Bauwerkes fließen, das in den Besitzstand der römisch-katholischen Kirche gehört und damit in den Besitzstand eines multinationalen Konzerns. Die Organisation Katholische Kirche selbst muss dieses Bauwerk rekonstruieren.
Die von den Superreichen Frankreichs, und von den normalen Bürgern auch, zugesagten Gelder könnten viel zu einer Erleichterung der Leben der Armen in den städtischen Randgebieten beitragen. Das allerdings wäre dringliche Aufgabe des Staates. Es ist nicht seine Aufgabe für milliardenschwere Glaubensunternehmen Geld zu stiften.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Ich bin ausgesprochen für die Rettung von Kulturgütern und Denkmälern. Das gilt für Profanbauten, wie für sakrale Bauwerke. Das gilt für die von Zerstörung betroffenen Kulturstädte Aleppo und Homs, wie für die von der türkischen Armee kaputtgeschossenen Städte Kurdistans. Das gilt auch für Einzelbauwerke. In Indien ebenso, wie in Deutschland. Ort und Region ist nicht von Belang. Es geht um die Rettung von Kulturgütern und Kunstwerken. Auch Gebäude können beides sein. Aber es kann nicht sein, dass die Katholische Kirche, die seit, unter heiligen Brüdern, 1700 Jahren zusammenrafft, was sie kriegen kann, hier mit Milliarden bezuschusst wird, während in Großstädten, und auch auf dem Land, in vielen Familien, für viele Menschen, die Hoffnungslosigkeit die einzige verlässliche Seinsgröße ist.
Nachtrag: Mir sind die Eigentumsverhältnisse bekannt. Nach dem Gesetz von 1905 ist Notre Dame, wie alle Kirchen in Frankreich, die vorher erbaut wurden, Eigentum (!) des französischen Staates. Die Religionsgemeinschaften aber nutzen die Kirchen. Sie gehören, da dort Gottesdienste stattfinden und in der Regel außer Tourismus sonst nichts, zum Besitzstand der Kirchen. Besitz und Eigentum ist nicht das gleiche.
Fotonachweis: LeLaisserPasserA38 [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)]