Wo „Pop“
anfängt und wo er aufhört ist umstritten – genauso was „Pop“
eigentlich ist. Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch die Frage,
was „Popkultur“ auszeichnet bzw. ausmacht. Versuche, diese Fragen
zu beantworten, füllen mittlerweile meterweise die Regale von
Bibliotheken. Selbst renommierte Verlage wie Surhkamp haben sich
bereits dazu durchgerungen Sammelbände mit Beiträgen
selbsternannter ExpertInnen hierzu zu publizieren.
Thomas Hecken versucht
sich in seiner Studie gar nicht erst an einer näheren Definition des
Begriffes. Lapidar schreibt er: „Mit dem Bild einer Volkskultur hat
diese Populärkultur offensichtlich wenig zu tun“ (S. 7). Munter
und fröhlich fährt er fort in seiner Einleitung von der populären
Kultur und ihren Ausdrucksformen zu schwafeln, ohne diese näher
einzuordnen und verweist auf die zentrale Bedeutung der Forschung zu
„populärer Kultur“ in unterschiedlichen wissenschaftlichen
Disziplinen (auch ohne diese zu benennen), deren Analysen ohne einen
gemeinsamen Leitbegriff versuchen sich dem Themenkomplex anzunähern.
Anhand 30 unterschiedlicher (meist aus männlicher Sicht geschrieben)
Theorien versucht er dieser Unübersichtlichkeit Herr zu werden. Im
Zuge von 17 Kapiteln, in denen er die Wahrnehmung und Annäherung an
populäre Kultur von Friedrich Schiller, über Susan Sontag und
Roland Barthes bis Jürgen Habermas nachzeichnet, erschöpft sich
seine Studie weitgehend.
Bezüglich seines erkenntnisleitendes
Interesse schreibt er in der Einleitung: „Die Frage ist dann, ob
sich Theorien der Populärkultur in der Schematisierung solcher
Einordnungen [z.B. Genres] und Merkmalslisten [z.B,
Veröffentlichungsformen] erschöpfen müssen. Ein genauer Blick in
die Geschichte verschiedener Disziplinen zeigt jedoch, dass es eine
ganze Reihe interessanter theoretischer Ansätze gibt, die solche
Klassifikationen mit Herleitungen, Begründungen und
Differenzierungen versehen, welche ebenfalls zur Analyse einzelner
Werke oder Rezeptionsakte äußerst fruchtbare Beschreibungsmuster
und Ansätze zu empirischen Studien liefern – selbst wenn sie
manchmal noch einen großen Teil ihrer Energie für die Durchsetzung
ästhetischer Vorlieben bzw. elitärer oder manchmal auch angeblich
volksnaher Machtansprüche aufwenden und oftmals ohne Abgleich mit
anderen, benachbarten Ansätzen entstanden sind.“ (S. 9). Dem
eigenen Anspruch, wichtige und lesenswerte Beiträge zur Theorie
populärer Kultur darzustellen, wird er leider nur bedingt gerecht.
In dem mit sechs Seiten Umfang nur sehr mageren ersten Kapitel, das
die Überschrift „Friedrich Schiller: Popularität als
Bildungsaufgabe“ trägt, taucht erst in den letzten Zeilen der
dritten Seite sein Name überhaupt auf, dessen Theorie er
unausgesprochen auf seine Kritik an der Poesie Gottfried August
Bürgers aufbaut und reduziert. Die folgenden Beiträge sind zwar
teilweise etwas ausgereifter, bleiben aber dennoch weitestgehend
oberflächlich. Ärgerlich wird es vor allem, wenn Hecken versucht,
die Komplexität von der Kulturkritik von Denkern wie Kracauer,
Benjamin und Adorno in einem gemeinsamen Kapitel auf zehn (!) Seiten
herunterzubrechen.
Dabei zeigen sich auch deutlich seine blinden
Flecken in der Theorie. Bezogen auf einzelne Werke wie z.B. Bourdieus
„La distinction“ lassen sich vielleicht erste Anregungen für
eine Auseinandersetzung mit der Thematik „Populärkultur“ finden,
aber bei weitem liefert er für den eigenen Anspruch sehr dürftige
Ergebnisse. Sein Fazit biete dementsprechend auch keine neuen
Erkenntnisse: „Der Begriff der populären Kultur ist oftmals ein
wertender Begriff, der hohen Kultur entgegengesetzt. Die Gegenstände
der populären Kultur gelten zumeist als oberflächlich,
standardisiert, vulgär, trivial oder allzu reizvoll“ (S. 179).
Ebenso fällt eine Einordnung jener Theorien für die Erfassung
moderner Populärkultur aus, was eines der erklärten Ziele der
Arbeit sein sollte. Statt dessen ergeht er sich in darüber
hinausgehenden Positionierung zur „Masse“ und „Populärkultur“,
die nur selten einen direkten Rückbezug auf die dargestellten
Postionen besitzen. Keiner seiner Beiträge erreicht den Tiefgang,
den mensch von einem habilitierten Wissenschaftler erwarten kann. An
vielen Stellen tauchen zudem ärgerliche Formfehler (z.B.
uneinheitliche Zitierweise) auf. Mehr Stringenz bei der Analyse und
eine enger formulierte Fragestellung wären wünschenswert gewesen.
Ebenso hätte mehr Transparenz bezüglich der ausgewählten Texte,
ihre Brisanz und die zugrundeliegenden Kriterien ihrer Wahl Not
getan. In der vorliegenden Form ist diese Darstellung ohne
nennenswerte Relevanz und trägt keinesfalls zur Beantwortung der
Frage bei, was „Populärkultur“ ist bzw. wie uns die Klassiker
bei der Einordnung des Phänomen eine Hilfe leisten können .
[transcript] Bielefeld 2007, 230 S
ISBN
3-89942-544-8, Preis: 22,80 €.
Maurice Schuhmann