Seit Tagen erwachst Du wieder in Venedig,
dieser geträumten Stadt, deren Schönheit
einen König in den Wahnsinn trieb.
Auf dem grünen Wasser der Kanäle
wird die Zeit in schwarzlackierten Gondeln
befördert, achtzig Euro pro dreißig Minuten.
Alte Frauen, die sich mit Hunden unterhalten,
stehen wie vertrocknete Bäume auf
schattenlosen Plätzen. Ihre geschlossenen
Wintermäntel schützen die Stadt
vor der Kälte in ihren Knochen.
Durch die Gassen echot das Bettlerakkordeon,
während Touristen wie Schwärme plappernder Fische
der Stazione Santa Lucia entgegenschwimmen.
Und Du, alter Mann, wartest zu Pessach,
nickende Tauben um die Füße,
im Ghetto Novo auf einer steinernen Bank,
auf der einst ein General saß, den es
nur in Deiner Einbildung gab.
So erzählen uns die Geschichten, dass
der Schrecken an unserer Tür vorübergeht.
Doch die Vergangenheit ist ein Brunnen voller Leid.
Und die Häuser stehen noch am alten Platz.
Auf ihren Wänden treffen sich des Abends
die Schatten der Deportierten.