Erzähl allen, allen von mir
Das schöne kurze Leben der Libertas Schulze-Boysen
Silke Kettelhake hat, legt man literarische Kriterien an, ein gutes Buch geschrieben. Die gelernte Journalistin hat sich mit diesem Buch über Libertas Schulze-Boysen an ein Thema gewagt, welches über die Person im Fokus des Werkes hinausragt und sie hat es hinsichtlich des schriftstellerischen Wertes ordentlich gemacht.
Und dennoch: Das Buch verharrt in einer, ganz unerklärlichen, unpolitischen Position. Es scheint der postmoderne Versuch zu sein, sich politischen Entscheidungen, die ja immerhin auch die Entscheidungen über den eigenen Tod waren, zu nähern ohne die Determinanten über das bloße individuelle Empfinden hinaus auch zu benennen. Streckenweise erinnerte mich das Buch an die Gespräche, die an den Kaffeetafeln meiner Großeltern und meiner Mutter über die "schwere Zeit" geführt wurden. Anekdoten und Kolportagen – ohne Zustandsberichte.
Das ist schade, denn die Akkribie, die Silke Kettelhake auf dieses Buch verwendet hat (es gibt viele Briefe, Fotos und Lebensdaten), hätte es vermocht, auch den Zustand Deutschlands unter der faschistischen Regierung so zu beleuchten, dass seine Schilderung eben nicht individualisierend wirkt. Und mit ihrem Gefühl für die Sprache, wäre es allemal gelungen, ohne kalt und pädagogisch zu werden.
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